"Mit einem Tiger schlafen": Ambivalente Maria Lassnig

Minichmayr als heimische Doyenne der Malerei
Eine nackte liegende Frau in fahlen Konturen, darüber ein farbenfroher Tiger: Ein Gemälde von Maria Lassnig. Schläft sie mit dem Tiger, oder kämpft sie mit ihm? Sie kämpft viel in ihrem Leben, das zeigt "Mit einem Tiger schlafen" mit Birgit Minichmayr als heimische Doyenne der Malerei. Nach der Weltpremiere bei der diesjährigen Berlinale startet das Biopic am Freitag in den Kinos.

Wer ist der Tiger in Lassnigs Leben? Die Kunst und Kunstmarkt dominierende Männerwelt? Sollte dies der Fall sein, wird das im Film von Anja Salomonowitz nicht explizit deutlich. Er zeichnet dabei genau das Leben der Kärntner Malerin nach, die vor zehn Jahren mit 95 Jahren verstorben ist.

"Ganz falsch", urteilt Lassnig (Minichmayr) über die Hängung ihrer Bilder in einer Ausstellung. Lassnig erscheint als mürrische, schon früh gebrechliche Frau, die nur für ihre Kunst lebt. Innerer und äußerer Schmerz quälen sie. Geräusche wie das Ticken einer Uhr oder das Auswaschen eines Pinsels wirken dominierend laut in Lassnigs Atelier. Immer wieder liegt der Telefonhörer neben dem Apparat, und es tutet aufdringlich.

Lassnig ist eine feinnervige Künstlerin, die Lärm stört. Ebenso wie größere Menschengruppen oder Interviews. So sehr sie nach Ausstellungen strebt, zieht sie sich bei Vernissagen in sich zurück. Im Film lässt sich ihre Persönlichkeit nicht eindeutig ausmachen: Zum einen lockt es sie hinaus, nach Frankreich und in die USA, zum anderen bleibt sie stark an ihre Mutter in der alten Heimat gebunden.

Aber auch die Mutter (Johanna Orsini) ist ambivalent gezeichnet: Sie erkennt das Talent ihrer Tochter und fördert sie, auf der anderen Seite gibt sie ihr rüde zu verstehen, dass sie damit nie Geld verdienen werde. Sie ist zu bodenständig, um den Empfindungsweg der Tochter mitvollziehen zu können. Ihr größtes Anliegen ist, dass die Tochter heiratet.

Das gelingt Lassnig zwar nie, doch wird der zehn Jahre jüngere Arnulf Rainer (gespielt von Popshootingstar Oskar Haag) ihr Partner. Der Film behandelt ihn allerdings nur kurz episodisch. Lassnig ist keine Geschäftsfrau, doch neidet sie Rainer dessen Erfolg.

Immer wieder springt die Handlung chronologisch vor und zurück. Eingestreut sind überzeugend echt wirkende Originaltöne von "Zeitgenossen". Doch bleibt der Film zumeist exakt am Biografischen. Etwa, wenn Lassnig in den USA erklärt, sie male ihre Gefühle, und das mit "strange" bewertet wird.

Zum Schluss ist Maria Lassnig schwer leberkrank, gebrechlich und letztlich wohl einsam. Von ihren Bildern will sie sich eigentlich nicht trennen. "Die Bilder sind meine Kinder, ein Museum ist ein Waisenhaus", sagt sie einmal. Und sie hat stets Sorge, dass ihre Bilder "gestohlen" werden.

Birgit Minichmayr ist als Maria Lassnig mitunter nicht wiederzuerkennen, auch das Kärntner Idiom setzt sie dosiert und korrekt ein. Ihre Lassnig ist zurückgezogen und zunehmend eigensinnig. Als Person bleibt die Figur bis zum Ende dennoch nicht recht fassbar. Sie malt auf dem Boden sitzend oder liegend, streicht in weiten Schwüngen die Farben aufs Papier, in Verrenkungen und eckigen Bewegungen, Kunst, die aus dem Schmerz geboren wird. Eine gekränkte Künstlerin, eine Malerin, die lange auf ihren Durchbruch zu warten hatte.

(Von Stefan May/APA)

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