My Ugly Clementine besingen auf neuer Platte "The Good Life"
Die Entwicklung der Gruppe, vom ersten Konzert im Wiener Rhiz bis zur großen, quer über Europa gehenden Headliner-Tournee diesen Herbst, war teils eine ziemlich turbulente. "Das war wie ein Schneeball, dem man hinterher hechtet", erinnerte sich Ronck im APA-Interview. "Es wurde einfach immer größer. Und selbst während der Covid-Zeit ist sehr viel passiert." Nun sei aber der Punkt erreicht, an dem die Musikerinnen nicht mehr hechten müssen, sondern auch mal überlegen können: "Was wollen wir denn eigentlich machen? Wir haben ein Album geschrieben, aber wie geht es jetzt weiter?"
Zunächst mal muss festgehalten werden, dass die zwölf neuen Songs das Niveau des Vorgängers locker halten, wenn nicht sogar noch ein Scherflein drauflegen. Rumpeliger Indie-Rock, der beizeiten an die legendären Pixies erinnert ("Are You In"), dann wieder fragile Gitarrensongs mit viel Gefühl ("Too Much") oder stakkatohafte Sounds mit reichlich Power ("No") - ausgelassen wird auf "The Good Life" wenig. "Sophie ist nach wie vor der Master of Sound", meinte Kovacs über den Schreibprozess. "Es waren sehr schnell die Rollen klar. Wir wussten, wer wann womöglich die springende Idee haben könnte. Das war ein großer Glücksfall."
Sie selbst habe zwar versucht, viel zu planen "und auf große Plakate zu schreiben, wie wir da hinkommen", grinste die Musikerin. "Aber es hat sich einfach gefügt. Wir haben wahnsinnig viel über unsere Gefühle gesprochen. Es war ja nicht nur Covid, wir hatten alle unsere Struggles." So seien letztlich die Nummern entstanden. "Wir sind einfach wirklich enge Freundinnen geworden und haben jeden Tag Kontakt. Die Dinge, die wir da besprechen, finden, ohne dass wir das groß planen müssen, sehr viel Platz in den Songs." Ganz zentral sei den Dreien dabei: verstehen und zuhören. "Diese Sachen haben ineinander gegriffen für diesen emotional-kreativen Prozess."
Was den Sound betrifft, sei ein nächster Schritt erfolgt. "Vielleicht sind wir nicht unbedingt erwachsener geworden", überlegte Kovacs. "Aber wir sind mehr Risiken eingegangen. Hier härter, da weicher. Es gibt mehr Dreistimmigkeit, weirde Momente, Gitarrensoli. Wir haben einfach viel ausprobiert." Und so kamen Ideen von jeder einzelnen, es wurden aber auch komplette Songs zu dritt erdacht und verfasst. Ein nicht unbedingt selbstverständlicher Prozess, wie Kovacs zu bedenken gab. "Teils funktioniert das für mich nicht mit Leuten, die ich schon 20 Jahre kenne."
Die "Good Life"-Reise führte My Ugly Clementine schließlich sogar bis ins tschechische Nirgendwo an der Grenze zu Polen. Dort hat Roncks Großvater ein Haus im Wald. "Es war schön, dass ich ihnen diese Seite von mir zeigen konnte", nickte die Musikerin. "Wir haben unser Equipment hingekarrt, haben gegrillt, gegessen, aufgenommen. Vier, fünf Tage lang, ohne Internet, nichts. Da ist einfach nur eine unendliche Waldlandschaft." Entstanden ist dort etwa der Abschlusstrack "How Would I Know What I Know", in dem drei Stimmebenen zueinander finden. "Drei individuelle Personen, drei individuelle Geschichten", erklärte Kovacs den Zugang.
Was ist nun aber "The Good Life"? Kovacs lachte, als sie auf die Texte angesprochen wurde. "Es ist ja eigentlich eh immer dasselbe bei mir. Ich denke mir ja nicht: Dieses Album handelt von Katzen, dieses von der Natur, das nächste von den Sternen. Eigentlich gehe ich nur eine Straße entlang und frage mich: Wer bin ich?" Oder, um den deutschen Liedermacher Funny van Dannen zu zitieren: "Herzscheiße." Natürlich gehe es auch darum, ob das Glas nun halbvoll oder halbleer ist. Ist es das gute Leben, oder will man das bessere, fragte Ronck. Für sie gehe es darum, "den Druck rauszunehmen und einen Schritt zurückzugehen. Das gute Leben ist ganz gut. Ich habe es mir vielleicht anders vorgestellt. Aber es ist gut so."
(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)
(S E R V I C E - My Ugly Clementine auf Tour ab 29. September, alle Termine und weitere Infos unter https://myuglyclementine.com/)
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