Pedro Almodóvar erhält Ehrenpreis von San Sebastian
Zwar sorgten am Mittwoch auch Johnny Depp, Pamela Anderson und Monica Bellucci für große Aufmerksamkeit, doch niemand wurde so gefeiert wie der spanische Kult-Regisseur, dem Hunderte von Fans bei seiner Ankunft im Hotel sogar ein Geburtstagsständchen sangen, was "meine Emotionen an den Rand der Tränen brachte", so der Regisseur während der Pressekonferenz vor der Preisverleihung. Sogar Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez kommt extra aus Madrid zur Preisvergabe.
Die nordspanische Küstenstadt am Golf von Biskaya ist ein besonderer Ort für ihn. Nicht nur, weil San Sebastian mit Cannes, Venedig und Berlin zu den weltweit wichtigsten Filmfestivals gehört. "In San Sebastian begann meine Karriere. Seitdem bin ich, mit oder ohne Film, viele Male zum Festival zurückgekehrt". Tatsächlich war San Sebastian 1980 für den heute zweifachen Oscar-Preisträger ("Alles über meine Mutter", "Sprich mit ihr") und einen der einflussreichsten Regisseure der Welt das erste große Filmfestival und Sprungbrett für seine Karriere. Damals lief sein Film "Pepi, Luci, Bom und der Rest der Bande" im "New Directors"-Wettbewerb.
Vor allem aber habe er so eine enge Verbindung zu San Sebastian, weil es ein Festival sei, auf dem Filme im Zentrum stehen, die Werte wie Empathie vermitteln, so Almodóvar. "Freiheit und Empathie stehen in all meinen Filmen im Mittelpunkt". So auch in seinem neuesten Film "The Room Next Door", der im Anschluss an die Preisvergabe gezeigt wird und Mitte September in Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet wurde. In dem Sterbedrama mit Julianne Moore und Tilda Swinton, die Almodóvar auch den Ehrenpreis im Kursaal der nordspanischen Küstenstadt übergibt, geht es um Freundschaft und selbstbestimmtes Sterben.
Es geht aber auch um Empathie für die anderen, was Almodóvar sogar auf aktuelle gesellschaftspolitische Probleme wie die Migration ausweitete und indirekt auch auf den Wahlkampf in den USA und den Rechtsruck in Europa. "Wir sind ein alternder Kontinent, wir brauchen die Migranten und den rechten Kreisen fällt nichts anderes ein, selbst minderjährige Flüchtlinge mit dem Militär bekämpfen zu wollen". Neben seinem künstlerischen Talent und unverkennbaren visuellen Stil zeichnet San Sebastian Almodóvar auch für seine "kühne Herangehensweise an Themen wie dem LGBTIQ+-Universum, Religion, Sex, Süchte, das historische Gedächtnis und sein politisches Engagement" aus, heißt es in der Erklärung des Festivals.
Almodóvar ist ein Provokateur, Frauenverehrer, Kirchenkritiker und vor allem ein aufmerksamer Chronist der spanischen Gesellschaft. Mit seinen ersten Werken stand er noch im Zentrum der punkigen Gegenkulturbewegung nach dem Tod von Diktator Franco 1975. In ihnen sprach er über die neu gewonnene Freiheit in der Demokratie, brachte das neue Lebensgefühl vieler Spanier seiner Generation auf die Leinwand. In seinen ersten Filmen ging es um die neue sexuelle Freizügigkeit als Selbstermächtigung, Drogen, Dreiecksbeziehungen, vor allem auch um Gleichberechtigung und die Rechte von Homo- und Transsexuellen.
Danach wurde sein Kino politischer. In "Parallele Mütter" geht es um die Aufarbeitung von Verbrechen aus der Franco-Zeit, das Öffnen anonymer Massengräber und die durch das Erbe der Diktatur immer noch gespaltene Gesellschaft. In seinem Film "Schlechte Erziehung" spricht Almodóvar 2004 auch ein Thema an, das in Spanien bis dahin lange ein Tabu war: die sexuellen Missbräuche in der katholischen Kirche.
Er sei ein alternder Regisseur und überrascht, dass selbst die jungen Influencer und TikToker-Generation sich für seine Filme begeistern. Doch Tilda Swinton gab ihm während der gemeinsamen Pressekonferenz vor der Preisvergabe bereits die Antwort: Almodóvar habe trotz seines Alters und seiner langen Karriere immer noch die Passion und Spontanität eines jungen Regisseurs, stehe mit seinen Themen im Jetzt und Heute. "Pedro for ever", stellte die Britin klar.
Pedro Almodóvar wurde für seine rund 30 Spielfilme mit über 170 Auszeichnungen geehrt - vom Europäischen Filmpreis über fünf Baftas und Goya-Preise und dem jüngsten Goldenen Löwen von Venedig. 2006 wurde er für "Volver" in Cannes als bester Drehbuchautor ausgezeichnet. Jetzt muss er in seinen Regalen Platz für eine weitere prestigeträchtige Auszeichnung machen - dem Donostia-Preis, mit dem sich in gewisser Weise auch ein Kreis schließt. Hier begann alles!
(Von Manuel Meyer/APA)
(S E R V I C E - www.sansebastianfestival.com/in/)
Kommentare