"Projekt Ballhausplatz": Ein Kurz-Film mit Längen

"Projekt Ballhausplatz"-Regisseur Kurt Langbein bei der Premiere
Sebastian Kurz ist schwer zu fassen. Schon viele haben sich am Aufstieg und Fall des einst jüngsten Regierungschefs Europas dokumentarisch abgearbeitet, nun schießt Regisseur Kurt Langbein mit seinem Kinofilm "Projekt Ballhausplatz" nach. Am Donnerstag und damit zwei Wochen nach dem überraschend aufgetauchten Konkurrenzwerk "Kurz - Der Film" kommt die Collage aus Archivmaterial und Interviews nun in die Kinos. Es ist die moralische Dekonstruktion eines Phänomens mit Längen.

"Projekt Ballhausplatz" ist eine weitere Dokumentation über einen der bestdokumentierten Politiker. Langbein schöpft aus dem Vollen, wenn er auf Archivmaterial zugreift und die Zeitleiste mit bekannten TV-Bildern füllt. Und so beginnt die Politdoku im "ZiB 2"-Studio", wo sich der Ex-Kanzler kritischen Fragen stellen muss. Es ist das bereits überschrittene Ende jenes titelgebenden Politprojekts, das den ehemaligen JVP-Chef ins Kanzleramt befördert hatte.

Unterhaltsames liefert immerhin Archivmaterial aus Zeiten, in denen Kurz noch den lässigen Jungpolitiker gab. 2010 inszenierte der damalige JVP-Chef im Wien-Wahlkampf die Aktion "Schwarz macht geil". Das Posieren des selbstinszenierten Posterboys samt Entourage mit einem Geländewagen der Marke Hummer - dem mittlerweile berühmt-berüchtigten "Geilomobil" - fördert zumindest unfreiwillige Komik zutage. Ab dann wird es ernst. Sowohl für Kurz, als auch für den Film.

Säuberlich wird im Laufe der Doku nicht nur ein Hummer fachgerecht von einem Mechaniker auseinander genommen. Vor allem Kurz wird moralisch dekonstruiert. Und so lässt die Ernsthaftigkeit der Themen wenig Platz für Unterhaltung, etwa bei eingeblendeten Flüchtlingsbildern. Kommentiert und angeprangert wird der politische Zynismus ausführlich, von Journalistinnen und Journalisten, Wissenschaftern, Oppositionsvertreterinnen und -vertretern.

Das "Projekt Ballhausplatz" selbst bleibt auch im danach benannten Film ein wenig greifbares Mysterium. Zwar werden Kurz' einstige "Prätorianer" erwähnt. Mehr Licht fällt auf das Umfeld - auch aus Mangel an Archivmaterial - nicht. Zitiert wird aus bekannten Chats, wie etwa jenen von Thomas Schmid. Zu Wort kommen auf der anderen Seite aber auch Betroffene des angeprangerten politischen Zynismus, wie eine alleinerziehende Mutter und eine Pflegerin.

Wer alles nicht zu Wort kommen wollte, listet die Doku am Ende akribisch auf: Und zwar alle handelnden Personen von Kurz abwärts. Es bleibt NEOS-Gründer Matthias Strolz überlassen, in der Mitte des Films die Methoden der Kurz-Clique auf den Punkt zu bringen: "Handwerklich war das grandios. Da haben wir alle zusammen nicht einmal mehr in den Auspuff geschaut, die waren so weit weg." Die "neue" ÖVP sei damals mit einer Kaltschnäuzigkeit unterwegs gewesen, "die diese Republik noch nie gesehen hat".

Wie schwer es gewesen sein muss, sich auf das "Projekt Ballhausplatz" zu fokussieren, zeigt ein erzählerischer Schwenk nach Ibiza. Selbst Julian Hessenthaler, der für das Video, das die türkis-blaue Regierung sprengen sollte, hat etwas zu sagen. Spätestens hier verliert sich ein Film angesichts des thematischen Spektrums. Er ist dabei in guter Gesellschaft, werden doch Erinnerungen an die beiden letzten U-Ausschüsse wach.

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