Fremdgehen: Sollte man einen Seitensprung verzeihen oder sich trennen?

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Fremdgehen trotz Liebe: Verzeihen oder trennen?

Ein Seitensprung kann alles zerstören. Oder auch eine Chance für die Beziehung sein. Bleiben oder gehen? Diese Fragen können helfen!
Monika Kässer

Es kann uns alle mal erwischen: Man findet heraus, dass der/die Partner/in fremdgegangen ist und man hintergangen wurde. Und das, obwohl doch eigentlich alles in Ordnung gewesen zu sein schien. Dann sitzt der Schock tief und die Enttäuschung ist kaum in Worte zu fassen. Zig Fragen schießen einem durch den Kopf: Warum ist er/sie fremdgegangen? Bin ich nicht gut genug? Kann es jemals wieder so wie vorher werden? Will ich das überhaupt?

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Ob man nach einem Seitensprung die Partnerschaft weiterführen oder lieber eine Trennung in Erwägung ziehen sollte, dafür gibt es kein Patentrezept. Die einen trennen sich sofort und bereuen nichts, andere verzeihen und erleben ein Aufblühen der (oftmals) eingerosteten Beziehung. Bei der Entscheidungsfindung kann es jedenfalls helfen, sich mit den Gründen des Seitensprungs auseinanderzusetzen und sich gewisse Fragen zu stellen, die Licht ins Dunkel bringen können. 

Gründe für Seitensprünge

Eine Studie von 2020 der University of Maryland untersuchte, was Menschen, die eine Affäre haben, tun, sagen und wie sie fühlen. Unter anderem ermittelten die ForscherInnen Gründe für das Fremdgehen und veröffentlichten die Ergebnisse im "Journal of Sex & Marital Therapy".

Die vier meistgenannten Gründe, die direkt mit der Partnerschaft in Verbindung stehen, waren beispielsweise Wut auf den/die Partner/in, (empfundene) Vernachlässigung oder fehlende Zuneigung. "Es ist aber nicht immer der Fall, dass Menschen wegen grundlegender Probleme wie Streitereien oder mangelnder Zuneigung Affären haben. Manchmal gehen Menschen aus anderen Gründen fremd, zum Beispiel, um das Selbstbewusstsein zu stärken oder um eine Beförderung in der Arbeit zu bekommen", so der Forscher Dylan Selterman zu "PsyPost".

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Seitensprung als Chance für die Beziehung

PsychologInnen sehen in sexueller Untreue laut einem Bericht des Magazins "Stern" Entwicklungspotential für die Beziehung. Die Paartherapeutin und Bestsellerautorin Esther Perel ist eine der Vorreiterinnen, wenn es darum geht, Seitensprünge von ihrem negativen Image zu befreien. Damit ist nicht gemeint, in Affären krampfhaft etwas Positives zu sehen, sondern sie stets im Kontext zu betrachten. 

Die Auswirkungen einer Affäre können so gewaltig sein, dass Menschen daran wachsen, sich neu entdecken und nun offener denn je aussprechen, was in der Partnerschaft nicht gepasst hat. Quasi wie ein Frühjahrsputz für die angestaubte Beziehung. Alle dreckigen Ecken werden beleuchtet, sodass die Chance besteht, alte Strukturen aufzubrechen und neue, gemeinsame Routinen zu schaffen. Die einen überstehen diese Belastungsprobe, andere halten jener nicht stand. 

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7 Fragen, die bei der Entscheidung helfen können

Zwei Dinge sind essenziell bei der Entscheidungsfindung, ob man sich nach einem Seitensprung am besten trennt oder eben nicht. Zum einen sollte man die Gründe des Fremdgehens beleuchten. War es eine einmalige Sache, ein Ausrutscher, der mit Reue einhergeht oder handelt es sich um eine länger andauernde Affäre, die unter Umständen noch nicht mal beendet wurde? Zum anderen gibt es gewisse Fragen, die man sich stellen kann. Beantwortet man so gut wie alle Fragen mit einem deutlichen Ja, so spricht vieles dafür, der Beziehung noch eine Chance zu geben

  • Habt ihr gleiche/ähnliche Lebensziele? 
  • Wollt ihr beide eine feste, monogame Beziehung?
  • Zeigt er/sie glaubwürdig seine/ihre Reue?
  • Hat er/sie es in deinen Augen verdient, dass du ihm/ihr verzeihst?
  • Seid ihr beide bereit, an der Beziehung zu arbeiten? 
  • Habt ihr Gemeinsamkeiten und passt grundsätzlich zusammen?
  • Seid ihr beide bereit, Kompromisse einzugehen? 

Chance für Persönlichkeitsentwicklung

Betrogen zu werden ist emotional unglaublich schmerzhaft, keine Frage. Egal ob du dich trennst oder für die Beziehung kämpfen wirst: Sei dir bewusst, dass es sich um eine Extremsituation handelt und du ganz bestimmt an dieser Entscheidung wachsen wirst. Dieses Wachstum bedeutet aber, dass du jede Menge Energie, Feingefühl und Durchhaltevermögen brauchen wirst. Solltest du das Gefühl haben, dass dir das alles auf Dauer über den Kopf wächst und du aus dem Loch nicht mehr alleine herauskommst, ist es ratsam, dir professionelle Unterstützung zu holen. 

Professionelle Hilfe 

Wer Selbstmordgedanken hat oder an Depressionen leidet, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits ein einzelnes Gespräch. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich rund um die Uhr kostenlos unter der Rufnummer 142 an die Telefonseelsorge wenden. Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt ÄrztInnen, Beratungsstellen oder Kliniken. www.suizid-praevention.gv.at