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Wie geht man am besten mit depressiven PartnerInnen um?

Der Umgang mit depressiven PartnerInnen ist oftmals schwierig. Wir haben eine Psychotherapeutin gefragt, was man tun kann.
Sabrina Kraussler

Triggerwarnung: Im folgenden Beitrag geht es um Depressionen und psychische Belastungen. 

Laut Schätzungen der WHO litten 5,1 Prozent der österreichischen Bevölkerung im Jahr 2019 an einer Depression. Laut "Depressionsbericht Österreich" ist die Tendenz steigend. Allerdings wird vermutet, dass die Dunkelziffer wesentlich höher ist, da viele über ihre Erkrankung kaum sprechen. Außerdem habe sich laut "rnd" vor allem die Pandemie stark auf die psychische Gesundheit der ÖsterreicherInnen ausgewirkt.

Vermutlich seid ihr aus Interesse hier gelandet. Viele von euch haben aber vielleicht mit genau diesem Thema zu kämpfen, das wir mit Psychotherapeutin Béa Pall aus Wien besprochen haben: Der Umgang mit depressiven PartnerInnen kann sich als äußerst schwierig erweisen. Oftmals wirkt sich die Erkrankung auf die Stimmung des anderen aus, manche Betroffenen ziehen sich zurück und einige trennen sich schließlich vom Partner oder der Partnerin. Dabei kommt es natürlich auch auf die Schwere und Form der Depression an. 

Wir haben im Interview einige Fragen geklärt, die Betroffenen hoffentlich weiterhelfen. Hilfe- und Anlaufstellen findet ihr weiter unten. 

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k.at: Worin liegt die Herausforderung im Zusammenleben mit depressiven PartnerInnen?
Pall: Das Leben mit einem Partner oder Partnerin, der oder die eine Depression hat, ist eine große Herausforderung, weil sich Depressive mit Veränderungen und Eigenständigkeit schwertun. Immer wieder Ermunterung auszusprechen ist schwer, vor allem, wenn sich der oder die andere aufgrund der Erkrankung nicht vorwärts bewegen kann oder will.

Was sollte man beachten? Wie sieht es mit dem Selbstschutz aus?
Pall: Man muss die richtige Nähe und Distanz finden. Das heißt: Die Selbstfürsorge für den nicht-depressiven Part steht an oberster Stelle. Man sollte darauf achten, wie man Depressive gut begleiten kann, aber man muss auch seine eigenen Grenzen kennen.

Das heißt: Wenn die Stimmungen überschwappt oder man wütend wird, ist es Zeit, Abstand zu nehmen, sich mit FreundInnen zu treffen, den Hobbys nachzugehen und so weiter. Die Frage stellt sich immer wieder: Wie viel Distanz brauche ich, damit mein Verständnis für den oder die PartnerIn bestehen bleibt? Zeit für sich ist wichtig. Das Leben, das man selber hat, muss aufrechterhalten werden.

Wie wirkt sich eine Depression auf die Partnerschaft aus?
Pall: Eine depressive Erkrankung wirkt sich auf das ganze Lustzentrum aus. Das heißt, für Betroffene machen Genüsse wie Essen oder Sex keine Freude mehr. Diese Lust- und Motivationslosigkeit hat eine massive Auswirkung auf die Partnerschaft.

Das Credo dieser Hoffnungslosigkeit lautet nämlich: 'Es ist alles schlecht.' Nichts scheint für den depressiven Menschen zu funktionieren. Diese negative Stimmung hat natürlich Folgen. Viele wollen dann nichts mehr unternehmen, nur im Bett liegen und manche achten dann auch weniger auf Körperpflege.

Depressive PartnerInnen distanzieren sich aber auch oft von selbst, oder?
Pall: Genau. In manchen Fällen wird man dann auch in die Distanz geworfen. Dann ist es Zeit auszuhandeln und zu sagen: 'Ich verstehe dich, aber ich habe auch Bedürfnisse. Wann ist es möglich, dass wir uns sehen?'

Das Schwierige daran ist, den Rückzug nicht persönlich zu nehmen. Deshalb ist es wichtig, die Krankheit professionell diagnostizieren zu lassen, denn dann können PartnerInnen von depressiven Menschen besser damit umgehen. Schließlich weiß man dann, dass es an der Depression liegt, dass sich jemand zurückzieht, und nicht an einem selbst.

Ist das Liebesgefühl bei einer Depression manchmal weg?
Pall: Oftmals sind Betroffene in ihren Gefühlen verflacht, sodass die Beziehung nicht die nötige Tiefe bekommt, die es aber bräuchte. Depressive Personen sind hauptsächlich mit sich selbst beschäftigt. Manche empfinden ein Gefühl der Leere, das macht es dann besonders schwer.

Sie tragen dann nicht viel zur Beziehung bei, lassen es einfach laufen. Sie können auch schwer Verantwortung übernehmen, weil sie es durch die Krankheit einfach nicht schaffen. Manche klammern aber auch in der Partnerschaft und nutzen sie als Rettungsanker oder sind durch sie euphorisiert – das ist auch eine Möglichkeit.

Bemerkt man eine Depression gleich in der Kennenlernphase?
Pall: Beim Kennenlernen ist es natürlich schwer, eine Depression zu erkennen. Oft ist es nach der ersten Verliebtheitsphase zu erkennen.

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Im Zusammenleben ist die Stimmung schlecht. Kann man depressive Menschen aufheitern?
Pall: Das Wichtigste im Zusammenleben mit depressiven PartnerInnen ist: Man darf sich nicht beeindrucken lassen. Die Stimmung des oder der anderen darf nicht die eigene Stimmung werden. Man muss sich dann genau überlegen, wie man die eigene Stimmung behält. Wichtig ist, zunächst die Situation annehmen zu können. Dann könnte man auch sagen: 'Ich bemerke, dass deine Stimmung heute nicht gut ist. Hast du heute wieder einen schwierigeren Tag?'

Es ist wichtig, die Situation zu benennen. Man sollte aber nicht den Unterhaltenden spielen. Sollte sich diese Stimmung beispielsweise über Tage ziehen, wird man sich abends vielleicht mal etwas mit FreundInnen ausmachen. Dann sollte man es einfach lassen – die Selbstfürsorge ist gefragt.

Depression: Wie sieht es mit Schuldgefühlen aus? Trennen sich manche aufgrund ihrer Erkrankung?
Pall: Die Schuldgefühle, die Betroffene haben, dürfen nicht unterschätzt werden. Viele machen sich Vorwürfe, was sie dem oder der PartnerIn eigentlich zumuten. Manche ziehen sich dann zurück oder beenden die Beziehung.

Je besser es PartnerInnen gelingt, sich nicht von dieser Stimmung beeindrucken zu lassen, umso mehr nimmt man auch von den Schuldgefühlen der Betroffenen. Natürlich kann man sagen: 'Ich kann dich verstehen, das ist eine schwierige Phase für dich.' Aber man sollte – wie gesagt – gut auf sich selbst achten.

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Kann man vom depressiven Partner oder der Partnerin verlangen, sich in Psychotherapie zu begeben?
Pall: Bei Männern ist das oft schwierig. Trotzdem ist es wichtig, dass man vom Partner oder PartnerIn verlangt, sich behandeln zu lassen. Man sollte depressiven Menschen deutlich sagen, dass man wirklich nur in der Beziehung bleiben kann, wenn sich der oder die Betroffene in Psychotherapie begibt. Man sollte deutlich machen, dass dieser Zustand ungewöhnlich ist, dass man den anderen vielleicht so gar nicht kennt.

Symptome einer Depression zeigen sich oft ganz unterschiedlich. Deshalb ist es wichtig, das Ganze abklären und behandeln zu lassen.

Wie kann man den depressiven Part unterstützen?
Pall: Man kann bei der TherapeutInnensuche helfen, vielleicht sogar den Termin für den Partner oder die Partnerin ausmachen. Depressiven Menschen gelingt es manchmal nämlich nicht mehr, von sich aus den Termin auszumachen.

In einigen Fällen wird die Einnahme von Antidepressiva Wirkung zeigen. Dabei ist es unbedingt erforderlich, begleitend eine Gesprächstherapie zu machen. Viele glauben, dass man von den Medikamenten abhängig wird: Das ist definitiv nicht der Fall. Eine Depression ist in sehr vielen Fällen gut behandelbar. Eine leichte Depression lässt sich auch mit Gesprächstherapie und Sport (Minimum dreimal die Woche) behandeln.

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Austausch unter Betroffenen

Auch die "Deutsche Depressionshilfe" hat Rat für Angehörige von depressiven Menschen parat. Man solle eine Depression vor allem als Krankheit einordnen und sich offen mit den eigenen Gefühlen auseinandersetzen. Dem/r PartnerIn müsse oft Arbeit im Alltag abgenommen werden, was zu einer Mehrbelastung der nicht-depressiven Person führen könnte. Es wird auch auf das "Diskussionsforum Depression" verwiesen, in dem sich Betroffene untereinander austauschen können und ein offenes Ohr für ihre Situation finden. Weiters rät die Deutsche Depressionshilfe dazu, sich folgende Punkte zu Herzen zu nehmen:

  • Ärztliche Hilfe zu Rate ziehen, keine Selbstdiagnosen durchführen
  • Geduld aufbringen, aber sich auch selbst nicht vernachlässigen
  • Austausch mit anderen Betroffenen
  • Gut gemeinte Ratschläge vorher abwiegen
  • Wichtige Entscheidungen, wenn möglich, verlegen 

Bist du betroffen?

Wenn du mit akuten Problemen zu kämpfen hast, kannst du dich auch jederzeit an die Telefonseelsorge unter 142 wenden – rund um die Uhr erreichbar, kostenlos und anonym.

Wenn ihr auf der Suche nach einem Therapieplatz seid, könnt ihr euch hier informieren.