Marc Weber

Ein lesbisches Volleyballteam schreibt Geschichte

Vienna’s Queer Melange will das europäische Lesben-Volleyballturnier nach Wien bringen. Wir haben sie beim Training besucht.
Franz Lichtenegger

"Wien Volleyball lesbisch", viel präziser kann eine Google-Suche wohl nicht werden – aber Maria ist eine zielsichere Frau, sowohl in ihrer Herangehensweise an das Internet als auch im Sport. Volleyball hat sie immer schon gespielt, als sie dann für ihr Studium nach Wien zog, suchte sie nach Anschluss in der lesbischen Community. Und eine Möglichkeit, den zu finden, ist der Frauschaftssport.

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Vienna’s Queer Melange gibt es inzwischen seit nunmehr 30 Jahren. 25, wenn man etwas strenger ist und 10, wenn man es ganz genau nimmt. So oder so, durchweg solide Jubiläen, die man hier feiern könnte. Aber der Reihe nach.

Im Sommer 1989 wurde zunächst ein Inserat im feministischen Magazin "an.schläge" geschaltet, woraufhin sich schnell eine Gruppe sportinteressierter Frauen zusammenfand. Bis zur tatsächlichen Gründung des Vereins sollte es aber noch weitere fünf Jahre dauern, in denen mehr oder weniger regelmäßig gemeinsam Sport getrieben wurde. 1994 wurde dann der Verein Marantana offiziell ins Leben gerufen.

Über den Namensursprung ist man sich heute nicht mehr sicher, aber es müsse wohl auf die Redensart "Maria und Anna!“ zurückzuführen sein – mancherorts ein Ausruf des Erschreckens, etwa wie "Maria und Josef!“, das ausgesprochen zu "Marantjosef!“ wird – mit dem Unterschied, dass bei "Marantana!“ eben zwei Frauennamen für Aufregung sorgen. Ziemlich passend also für ein lesbisches Volleyballteam. Die Umbenennung in Vienna’s Queer Melange erfolgte schließlich 2009. Von den Gründungsmitgliedern, zu denen auch die ehemalige Grünen-Politikerin Ulrike Lunacek gehört, ist heute nur noch eine Frau im Verein aktiv, wenngleich nicht mehr so regelmäßig wie früher.

Marc Weber

Vienna's Queer Melange trifft sich wöchentlich zum Training – im Winter werden dafür Hallen genutzt, in den Sommermonaten sind es die Beachvolleyballplätze auf der Schmelz, auf denen jeden Montag ab 20:00 Uhr gespielt wird. Auf dem Platz erlebt man eine Gruppe junger Frauen, großteils in ihren Zwanzigern, für die es gerade diese Geschichtsträchtigkeit ist, die den Verein ausmacht. "Man ist stolz, dabei zu sein“, sagt Nicola im Gespräch mit k.at. Es gäbe immer wieder Erzählungen und Legenden über die altehrwürdigen Gründermütter – diese Geschichte weiterzuerzählen, auch darauf kommt des den heutigen Mitgliedern an. Es macht den Verein bedeutsam, wichtig – historisch, wäre das nicht so ein großes Wort.

Wenn man von einem lesbischen Volleyballteam hört, stellt man sich zuerst die unüberlegte Frage, warum ein Sportverein überhaupt eine sexuelle Orientierung voraussetzen sollte – man kann fast die "Straight Pride!“-Sprechchöre hören, die da vielleicht Hetero-Diskriminierung wittern könnten. Aber erstens gibt es natürlich keine Prüfung der sexuellen Orientierung, wenn man dem Team beitreten möchte. Alle Frauen, die Volleyball spielen wollen, sind willkommen, ob das nun Heteros, Transfrauen oder einfach nur sportliche Allys sind, ist egal. Der Verein ist laut Eigendefinition schließlich für Lesben "und Freundinnen“.

Marc Weber

Zweitens bietet ein Verein wie Vienna’s Queer Melange jungen lesbischen Frauen die Möglichkeit einer Community. Die schwule Szene mag im Vergleich zur lesbischen vielleicht nicht größer sein, jedenfalls aber ist sie lauter, sichtbarer und damit auch zugänglicher für junge Menschen. Eine Gemeinschaft, ein familiäres Netzwerk aus Gleichgesinnten ist vor allem für queere Jugendliche immer eine Bereicherung, nicht selten sogar lebenswichtig.

Abgesehen davon geht es vielen Mitgliedern darum, Volleyball in einem reinen Frauenteam spielen zu können – davon gäbe es nämlich nur wenige, lesbische sowieso. Bei der Vienna Beach Trophy, dem größten schwullesbischen Beachvolleyball-Turnier Europas, ist die letzten Jahre etwa kein eigenes Frauenteam zustande gekommen. "Gemischte Spiele machen einfach weniger Spaß“, lacht Ingrid, die sich den Fuß beim Klettern verletzt hat und dieses Training auf der Bank aussitzt. Beim gemischten Spiel ist das Netz höher gespannt, Männer machen es weiblichen Spielerinnen schwieriger, an den Ball zu kommen. Was klingt, wie eine bittere Metapher für den Gender Pay Gap, kann Frauen schon mal die Freude am Sport verderben.

Gut zehn Jahre lang war Ingrid die Obfrau des Vereins, vor Kurzem gab sie ihr Zepter an Maria ab, und die hat viel vor. Neben den wöchentlichen Trainings auf der Schmelz, die auch neuen Mitgliedern offen stehen, hat sich die Queer Melange nämlich ein großes Ziel gesetzt: Das europaweite Volleyball-Turnier für Lesben wieder nach Wien zu bringen.

Marc Weber

Gewissermaßen ist das "European Lesbian Volleyball Tournament“ sogar mitverantwortlich dafür, dass die Queer Melange in ihrer heutigen Form existiert – die ursprüngliche Vereinsgründung war nämlich eine Notwendigkeit, um das Turnier 1994 in Wien ausrichten zu dürfen. Der Überlieferung nach sollen die Marantana-Frauen mit ihrem Vorhaben, die lesbische Volleyball-EM nach Österreich zu holen, für ziemlich viel Aufregung im Wien der frühen 90er gesorgt haben. Nun will man es ihnen nachtun.

2019 fand das EuLeVoTo, das innerhalb der Queer Melange datumsbedingt liebevoll "Oster-Turnier“ genannt wird, im niederländischen Groningen statt, für nächstes Jahr sei mit Paris schon ein Austragungsort gefunden, 2021 dann aber soll das Oster-Turnier zum ersten Mal seit 2008 wieder in Wien über die Bühne gehen. Irgendwann wird es dann auch über die Spielerinnen von Vienna’s Queer Melange Legenden und Erzählungen geben – und Frauen, die diese Geschichten weitererzählen werden.