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Die Wiener Alltagspoeten zeigen, dass MigrantInnen in Wien noch immer nicht akzeptiert werden

Die Facebook-Seite ist für ihre witzigen Anekdoten bekannt – nun weisen die Wiener Alltagspoeten auf den Alltagsrassismus in der Hauptstadt hin.
Adisa Beganovic Adisa Beganovic

Auf der Facebook-Seite der Wiener Alltagspoeten werden meist skurrile Unterhaltungen geteilt, die Unbekannte in der U-Bahn, dem Kaffeehaus oder im Supermarkt führen. Der Wiener Schmäh spricht für sich – zum Beispiel dann, wenn eine Studentin den "Augustin"-Verkäufer fragt, ob sie mit der Bankomatkarte zahlen kann. Nun veröffentlichte Andreas Rainer, der Betreiber der Seite, aber einen Post, der auf ein grundlegendes Problem der Stadt aufmerksam macht, nämlich wie WienerInnen mit Menschen anderer Herkunft umgehen.

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Der Betrag soll sich in einer Spar-Filiale im 22. Wiener Gemeindebezirk abgespielt haben. Eine blonde Frau drängt sich an der Kassa vor, eine Frau mit Kopftuch bittet sie, ob sie sich nicht hinten anstellen könne. Daraufhin entgegnet ihr die blonde Frau, sie solle froh sein, überhaupt hier leben zu dürfen. In einem Kommentar unter dem Posting erklärt Andreas Rainer, dass er sich anfangs nicht sicher war, ob er diese Unterhaltung überhaupt veröffentlichen solle. "Ich habe mich dann dazu entschieden es zu tun, weil ich bei so etwas nicht wegschauen möchte und Wien nun einmal nicht nur Schmäh, Spaß und Poesie ist", so Rainer.

Für Rainer handelt es sich hierbei eindeutig um Alltagsrassismus, in den über 330 Kommentaren unter dem Bild sind die Meinungen aber gespalten. Während manche mehr Zivilcourage fordern, sprechen andere davon, dass sie ähnliche Erfahrungen in Wien gemacht haben. Andere wiederum heißen die Aktion der blonden Frau gut. "Die blonde Dame war vermutlich in Eile, weil sie wahrscheinlich zur Arbeit musste, um es anderen zu ermöglichen einkaufen zu gehen – ist aber eine reine Vermutung", schreibt ein User. "Also wenn ich es eilig habe in die Arbeit, gehe ich nicht mehr zum Spar und bin oasch zu anderen Leuten", reagierte eine andere Nutzerin.

Auch im aktuellen Wiener-Alltagspoeten-Podcast wird über das Thema "MigrantInnen in Wien" diskutiert. Maggie Childs, Amerikanerin und Gründerin des Magazins "Metropole", und der kroatische Rapper und Journalist Petar Rosandić erzählen, wie sie als Kinder ihre Ankunft in Wien erlebt haben.

"Als wir hergekommen sind, konnten mein Bruder und ich kein Deutsch, wir waren ziemlich verloren. Die ersten zwei Monate in der Schule waren die Hölle. Wir haben uns in den Pausen am Gang getroffen und haben geheult", erzählt Childs. Dass man von vielen WienerInnen auch in der dritten Generation immer noch als MigrantIn betrachtet und nicht akzeptiert wird, bestätigen sowohl Childs als auch Rosandić. "Ich kenne diese nationalistische Scheiße, man steckt dann oft in einer Identitätskrise – ich bin jetzt hier und musste mir dann letztlich meine eigene Identität suchen", sagt Rosandić.

Dass Menschen mit einer anderen Herkunft, Religion oder Hautfarbe immer öfter rassistischen Übergriffen ausgesetzt sind, bestätigen auch die Zahlen der Antirassismusinitiative Zara. Laut ihrem Jahresbericht wurden 2018 insgesamt 1920 Fälle gemeldet, während es 2017 noch 1162 waren.

Die Belege für eine Verrohung der Gesellschaft gibt es also Schwarz auf Weiß. Diese Verrohung, die nicht zuletzt immer wieder durch die österreichische Politik beflügelt wird, lässt sich nur mit Zivilcourage aufhalten. Die Kommentare unter dem Posting der Wiener Alltagspoeten geben ein wenig Hoffnung, denn die UserInnen fordern genau diese ein. Aber nicht nur online ist es wichtig, den Mund aufzumachen, wenn man Ungerechtigkeiten beobachtet: "Was ich schön finden würde, ist, wenn alle, die hier laut aufschreien, dies das nächste Mal auch an der Supermarktkasse tun", schreibt daher Rainer in einem Kommentar.