Illegale Adoption: Verlorene Zwillinge durch TikTok wiedervereint
Es klingt wie ein Hollywood-Streifen: Amy Khvitia und Ano Sartania sind Zwillinge aus Georgien, die nach ihrer Geburt getrennt wurden. Sie wussten nichts voneinander, bis Ano 2021 ein TikTok-Video von Amy sah. "Es kam mir so vor, als würde ich mich selbst sehen", erklärte die 21-Jährige in einer "BBC"-Dokumentation, in der die Zwillinge bei der Suche nach ihrer Vergangenheit begleitet wurden. Als die beiden jungen Frauen beschlossen, sich zu treffen, wussten sie noch gar nicht, was sich hinter ihrer unglaublichen Geschichte verbirgt.
Warum wurden Amy und Ano getrennt?
Die Zwillinge wurden nach der Geburt ihrer leiblichen Mutter in Georgien weggenommen und verschiedenen Familien verkauft. Als sie Nachforschungen anstellten, stellten sie fest, dass sie zu den Tausenden von Babys in dem Land gehören, die aus Krankenhäusern gestohlen und verkauft wurden. Einer der aktuellsten Fälle soll sich sogar erst 2005 ereignet haben.
Sie wurden beide im Entbindungskrankenhaus von Kirtskhi in Westgeorgien geboren, aber laut ihrer Geburtsurkunden lagen ihre Geburtstage ein paar Wochen auseinander. Demnach konnten sie keine Schwestern, geschweige denn Zwillinge sein. Doch es gab zu viele Gemeinsamkeiten, die sie verbanden. Derselbe Musikgeschmack, ihre Liebe zum Tanz oder die Tatsache, dass sie nicht nur dieselbe Frisur, sondern beide auch dieselbe genetische Krankheit hatten, eine Knochenerkrankung namens Dysplasie.
So haben sich Amy und Ano gefunden
Bereits vor dem TikTok-Video, das Sartania von Khvitia gesehen hatte, gab es erste Verbindungspunkte zwischen den verlorenen Zwillingen. So habe Amy Khvitia mit zwölf Jahren ihre Lieblingssendung "Georgia's Got Talent" gesehen, in der ein Mädchen tanzte, das genauso wie sie aussah. "Alle riefen meine Mutter an und fragten: 'Warum tanzt Amy unter einem anderen Namen?", erklärte die junge Frau, die das Mädchen aus der Show auch gegenüber ihrer Familie erwähnte. "Jede:r hat eine Doppelgänger:in", soll Khvitias Mutter auf ihre Geschichte geantwortet haben.
- Sieben Jahre später, im November 2021, postete Amy auf TikTok ein Video, in dem sie sich die Augenbrauen piercen lässt.
- Dies wurde von einem Freund entdeckt und Ano Sartania zugeschickt.
- Ano versuchte, die TikTokerin ausfindig zu machen und teilte das Video in einer WhatsApp-Gruppe der Universität.
- Eine Person aus der Universität kannte Amy und half dabei, dass die Geschwister über Facebook Kontakt aufbauten.
Die jungen Frauen beschlossen, ihre Familien zu konfrontieren und sie über ihre Herkunft zu befragen. Dabei kam heraus, dass die Zwillinge im Jahr 2002 im Abstand von wenigen Wochen getrennt voneinander adoptiert wurden. Zudem erfuhren sie, dass die Angaben in ihren offiziellen Geburtsurkunden, einschließlich des Geburtsdatums, falsch waren.
Amys Mutter erzählte, dass sie keine Kinder bekommen konnte und ihr eine Freundin riet, ins örtliche Krankenhaus zu gehen, da es dort ein ungewolltes Baby gäbe. So hätte die Frau die Ärzt:innen bezahlen müssen, aber sie hätte das Neugeborene mitnehmen und anschließend als ihr eigenes aufziehen können. Der Mutter von Ano wurde dieselbe Geschichte erzählt.
Keine der Adoptivfamilien wusste, dass es sich bei den Mädchen um Zwillinge handelte. Wie viel die Familien jeweils für die Babys bezahlten, wurde nicht verraten. Zudem hätten alle Beteiligten angeblich nicht gewusst, dass die Adoption illegal war.
Wiedersehen mit der leiblichen Mutter
2023 trafen sie ihre Mutter in Deutschland wieder. Doch wie kam es dazu, dass sie ihre leibliche Mutter ausfindig machten? Amy fand eine Facebook-Gruppe, die sich für die Wiedervereinigung georgischer Familien mit Kindern einsetzt, die illegal adoptiert wurden. Die Gruppe wurde 2021 von der Journalistin Tamuna Museridze gegründet, die ebenfalls eines von unzähligen gestohlenen und verkauften Babys aus Georgien war. Tamuna entdeckte einen Schwarzmarkt für Adoptionen, der sich über ganz Georgien erstreckte und von den frühen 1950er Jahren bis 2005 andauerte.
- Im Jahr 2005 änderte Georgien sein Adoptionsrecht und verschärfte 2006 die Gesetze zur Bekämpfung des Menschenhandels, wodurch illegale Adoptionen erschwert wurden.
Eine junge Frau aus Deutschland postete in die Gruppe, dass ihre Mutter 2002 in Kirtskhi Zwillingsmädchen zur Welt gebracht habe, die angeblich verstorben seien. Doch nun hätte sie Zweifel. DNA-Tests ergaben, dass die Frau aus der Facebook-Gruppe die Schwester von Amy und Ano war. Sie lebte mit der leiblichen Mutter der Zwillinge, namens Aza, zusammen.
Obwohl Amy ihre leibliche Mutter unbedingt kennenlernen wollte, war Ano eher skeptisch: "Das ist die Person, die dich verkauft haben könnte, sie wird dir nicht die Wahrheit sagen", warnte sie ihre Schwester vor dem Wiedersehen. Nach einer emotionalen Umarmung und zahlreichen Tränen erklärte Aza ihren Kindern, dass sie nach der Geburt krank geworden und ins Koma gefallen sei. Als sie aufwachte, sagte ihr das Krankenhauspersonal, dass ihre Babys verstorben seien. Das Wiedersehen mit Amy und Ano habe der dreifachen Mutter einen neuen Lebenssinn gegeben. Die Zwillinge sollen ihrer leiblichen Mutter nicht nahe stehen, sie seien jedoch noch im Kontakt mit ihr.
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