APA - Austria Presse Agentur

Debüt von Kerosin95: "Ein Spielplatz, der immer ärger wird"

Knapp zwei Jahre sind vergangen, seit Kerosin95 mit "Außen hart, innen flauschig" eine erste, nicht zu überhörende Duftmarke im österreichischen Pop setzte.

Der eingängige Song machte ebenso Lust auf mehr wie packende Auftritte. Nun gibt es mit "Volume 1" endlich das Debütalbum. Darauf zeigt sich Kathrin Kolleritsch alias Kerosin95, auf genderneutrale Sprache bestehend, vielseitig, ehrlich und zwingend. Um Veränderung, Druck und fehlende rote Fäden ging es im APA-Interview.

APA: Nach Veröffentlichungen mit Bands wie Kaiko oder My Ugly Clementine gibt es nun das Solodebüt. Fühlt sich das anders an als bisherige Releases?

Kathrin Kolleritsch: Ganz anders. Jedes Projekt ist ein anderes, weiteres Baby. Bei den bisherigen Projekten habe ich mal mehr, mal weniger Verantwortung übernommen. Aber so viel Verantwortung und künstlerische Leitung wie diesesmal gab es noch nie. Das war schon sehr aufregend - und ist es noch immer! Nur weil diese Platte jetzt da ist, ist es ja noch nicht vorbei, es wird noch weitergetragen.

APA: Was hat sich denn seit der ersten Single, auch aus musikalischer Sicht, verändert?

Kolleritsch: Meine Gegenfrage wäre: Was hat sich nicht getan? (lacht) Das hängt mit vielen Sachen zusammen. Schon allein durch die unterschiedliche Musik, die ich höre, ändert sich mein Kopf. Andererseits passiert auf der musikalischen und textlichen Ebene unglaublich viel, weil ich mich und die Welt immer mehr reflektiere. Das ist auch mein Ziel, bis ich ganz weise sterben kann. (lacht) Zudem tut sich einiges durch die verschiedenen Projekte, in denen ich aktiv bin. Je verschiedener die Zugänge sind, die ich finde, desto krasser wird es. Es ist ein Spielplatz, der immer ärger wird und sich immer erweitert. Insofern ist es logisch, dass damals "Außen hart, innen flauschig" so geklungen hat und jetzt ganz was anderes passiert.

APA: Gab es für das Songwriting einen bestimmten Plan?

Kolleritsch: Vielleicht könnte das Album so wirken, als ob ein Plan dahinter steht, das war aber nicht der Fall. (lacht) Ich habe einfach nur Leute angerufen und geschaut, wer Zeit hat. Und dann hat es mit den Leuten, die normalerweise immer ausgebucht sind, geklappt. Da entstand dann mal ein 90ies-Deutschpop-Song, dann wieder ein ganz anderer Track. Für mich ist es einfach ein riesiges Popalbum, auf dem ich versucht habe, den Geschichten ihre Bühne zu geben. Ich wollte, dass sie schön wertvoll erzählt und musikalisch umgesetzt werden. So haben alle Geschichten ihr liebevolles Plätzchen gefunden. Ob das zusammenpasst? Ist ja wurscht. (lacht) Ich muss ja keine Metapher finden für den Sinn dieses Albums. Es sind einfach neue Songs, das ist die Erzählung der letzten eineinhalb Jahre.

APA: Die Tracks sind mal sehr stark und selbstbewusst, dann aber wieder fragiler und nach innen gerichtet. Sind das zwei wesentliche Aspekte der Platte?

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Kolleritsch: Darüber habe ich nicht viel nachgedacht. Ich will, das alles Platz findet, was mir wichtig ist und sich gut anfühlt. Die Themen, die behandelt worden sind, waren einfach wichtig, sonst wären sie nicht auf der Platte.

APA: Wie sieht es mit Druck oder Erwartungshaltungen aus, wenn schon die ersten Songs so einen Hype erzeugen?

Kolleritsch: Das Thema gibt es eh schon immer. In der Lebensphase jetzt gerade, egal wie lange die auch dauert, beschäftigt mich es nicht. Das ist sicher abhängig von vielen Sachen. Ob ich gerade verunsichert bin, ob ich zufrieden bin oder stolz oder glücklich. Wir als Musikschaffende geben ja ständig alles Preis, und dann wird das gewertet. Solche Dinge hängen stark davon ab, in welcher Stimmung ich diesbezüglich bin. Es ist schon arg, ständig gewertet zu werden. Ich habe es mir ja ausgesucht, das ist mein Beruf. Aber jetzt gerade passt es gut.

APA: Gibt es eine Grenze, wie viel ein Song Preis geben kann?

Kolleritsch: Darüber mache ich mir nicht so viele Gedanken. Ich verarbeite etwas, und oft ist es beinahe so, als finden die Wörter zum Gefühl. Da geht es nicht so sehr darum, wie etwas von außen aufgenommen werden kann. Wer soll das Persönliche schon beurteilen oder kritisieren können? Das ist ja eigentlich unantastbar. Anders sieht es bei politischeren Dingen aus. Da gibt es schon einen Check, wobei ich auch nicht alles sehen oder sofort bemerken kann. Daher ist Feedback sehr wichtig, konstruktive Kritik jedenfalls. Wenn Leute allerdings Dinge, die politisch aufgeladen sind, scheiße finden, dann gibt es viel darüber zu reden. Findest du das jetzt scheiße, weil du ein Cis-Dude bist, der das kritisiert, und ich mich gerade zurecht über Macker lustig mache? Dann lach' ich dich halt aus, weil du dich offenbar selber nicht reflektierst. Oder gibt es eine Person, die eine Zeile problematisch findet, weil ich das oder das vergessen habe oder über etwas nicht nachgedacht habe.

(Das Gespräch führte Christoph Griessner/APA)