APA - Austria Presse Agentur

Was sind "Nepotismus-Babies" und warum sind sie überall?

Brooklyn Beckham, Gigi Hadid, Kaia Gerber, Jaden Smith oder Lily-Rose Depp: Was haben sie alle gemeinsam? Richtig, reiche und berühmte Eltern!
Julia Deutsch

Wie oft setzt man sich mit der Frage auseinander, warum manche DarstellerInnen für eine Filmrolle besetzt werden? Oder welche Models bei einer Modenschau laufen? Was vielleicht als trivial oder nischiges Wissen abgetan wird, ist gesellschaftlich tatsächlich relevant: Das Stichwort lautet Nepotismus.

 

Was bedeutet Nepotismus?

Laut "DWDS" kommt das Wort Nepotismus aus dem katholischen Kontext, in dem die Päpste des 15. und 16. Jahrhunderts jeweils ihre Verwandten bei der Besetzung öffentlicher Ämter bevorzugten. Anfang des 18. Jahrhunderts wurde der Begriff "nepotismo" dann ins Deutsche übernommen und vorwiegend für den Begriff "Vetternwirtschaft" synonym verwendet. Was politisch ungern gesehen wird (hier in Österreich gerne als "Freunderlwirtschaft" oder "Vitamin B" bezeichnet), hat laut "Furche" auch im familiären Bezug einen fahlen Beigeschmack. Denn mit welcher Begründung soll der Sohn oder die Tochter in eine gewisse Position eingesetzt werden, ohne vorher nötige Qualifikationen gezeigt zu haben?

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Nepotismus im Model-Business

Denkt man an die absoluten Model-Ikonen der 90er Jahre, dann fallen Namen wie Kate Moss, Naomi Campbell, Cindy Crawford oder Claudia Schiffer. Nicht nur das außergewöhnliche Aussehen dieser Frauen machte sie zu Weltstars, sondern auch ihre Persönlichkeit und ihr Image standen im Vordergrund. Ihre Hintergründe waren dabei ganz verschieden: Kate Moss, als Tochter eines Airline-Mitarbeiters, wurde am Flughafen von einer Model-Agentur entdeckt, Claudia Schiffer wollte eigentlich wie ihr Vater Anwältin in Deutschland werden und Cindy Crawford gewann einen öffentlichen Model-Contest.

Im Vergleich dazu sieht die Riege der Topmodels heutzutage ein wenig anders aus: Kaia Gerber ist die Tochter von Cindy Crawford, Gigi und Bella Hadid sind Töchter von Real-Housewives-Star Yolanda Hadid, Lily-Rose Depp kennt man durch Daddy Johnny Depp, Kendall Jenner ist berühmte Tochter und Schwester der Kardashians, Hailey Bieber ist die Tochter des US-Schauspielers Stephen Baldwin, ihr Onkel ist sogar noch berühmter und heißt Alec Baldwin.

Erkennt ihr einen Trend? Der popkulturelle Begriff der "Nepotismus-Babies" ist geboren.

Nepotismus in Hollywood

Aber Nepotismus findet nicht nur in der Modebranche statt, vor allem in der Filmindustrie wird dies laut "Lehren" gut und gerne praktiziert. Dabei ist dieses Phänomen gar nicht neu und wird immer wieder bemerkt. Liza Minnelli, die Ikone der 70er-Jahre, ist die Tochter von Schauspielerin Judy Garland. Gwyneth Paltrow wiederum ist die Tochter von Emmy-Gewinnerin Blythe Denner, Drew Barrymores Großeltern waren Hollywood-Stars oder Dakota Johnson, deren Vater Don Johnson ist.

Die Liste ist schier endlos. Aber bedeutet dies automatisch, dass Töchter und Söhne von Stars nur in Filmen besetzt werden, weil sie den richtigen Nachnamen und vielleicht sogar gutes Aussehen geerbt haben?

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Kritik an Nepotismus

Die gängige Kritik ist laut "Dazed" folgende: Jemand, der aus einer berühmten Familie kommt, hat nicht nur kulturelles Kapital, sondern meistens auch Kapital in Form von, ... nun ja, Geld. Dies ermöglicht einer Person, wie zum Beispiel dem 23-jährigen Brooklyn Beckham, sich wahlweise als Model, Schauspieler, Influencer, Koch oder Unternehmer einfach zu versuchen. Ganz egal, ob er für eines dieser Dinge Talent hat, sein berühmter Nachname wird mediales Interesse erzeugen, daher wird seine Idee auch kurz- oder langfristig funktionieren. Wenn er das denn will.

Eine Person, die weder den kulturellen noch den finanziellen Background hat, also deren Eltern vielleicht in einer Bank arbeiten oder VolksschulpädagogInnen sind, wird den Startvorteil der Beckhams wohl nicht genießen. Nehmen sogenannte Nepotismus-Babies einschlägig talentierten Menschen aus sozial niedrigeren Schichten deshalb einen Platz weg?

Kulturelles Kapital

Laut "Dazed" geht die Diskussion um kulturelles Kapital noch weiter. Kulturelles Kapital wurde sei vom französischen Soziologen Pierre Bourdieu (aufbauend auf Ideen von Marx) als Familiarität mit der Lebensweise und Themen von höheren Bevölkerungsschichten wie Literatur, Musik, Kulinarik oder Theater definiert. Daraufhin spinnt sich die Diskussion weiter: Ist jeder und jede Person, die einen familiären Hintergrund in der Unterhaltungsindustrie hat, ein Nepotismus-Baby, da sie sich fachspezifisches Wissen aneignen konnte, um durch Kontakte und kalkulierte Schachzüge einer Person aus Normalo-Familien zuvorzukommt?

Ein beliebtes Beispiel ist laut "Dazed" die britische Schauspielerin Daisy Edgar-Jones, die vor ihrer großen Rolle in "Normal People" niemand kannte. Ihr Vater ist "zufällig" der "Head of Entertainment" des Netzwerkes "Sky". Aber hat Daisy deshalb eine schlechte schauspielerische Leistung abgeliefert? Die Redaktion findet ganz und gar nicht.

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Weshalb gibt es Nepotismus?

Um vielleicht irgendwann zu einem Ende, beziehungsweise einer befriedigenden Auflösung zu kommen, sollten wir uns mit den Gründen für Nepotismus auseinandersetzen. Dies ist nämlich gar nicht kompliziert: Die Unterhaltungs-, Kultur- und Modeindustrie untersteht einem großen Druck, rentabel zu bleiben. Wie "Reuters" beschreibt, steckten Hollywoods Filmstudios in großen finanziellen Schwierigkeiten seit der Finanzkrise 2008.

Deshalb ist es kein Wunder, dass diese mit Remakes und bekannten SchauspielerInnen auf Nummer sicher gehen. Ein bekanntes Gesicht birgt schließlich das geringste Risiko für einen Flop. Im Notfall wird dann die Tochter oder der Sohn einer bekannten Persönlichkeit gecastet, um größere Verluste zu vermeiden. Die Aufmerksamkeit des Publikums ist auch da nämlich sicher.

Also ja, am Ende ist wahrscheinlich immer der Kapitalismus schuld.