screenshot/heute/k.at

Warum der Balkan-Blog der "Heute" wenig mit der Balkan-Community zu tun hat

Die Tageszeitung "Heute" will in ihren Balkan-Blogs Einblicke in das Leben der in Österreich lebenden Ex-YU-Community geben. Doch sowohl die Inhalte als auch die Aufmachung sorgen für Verwirrung.
Adisa Beganovic Adisa Beganovic

Für dich ausgesucht

In Österreich leben knapp 300.000 Menschen, die aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawien stammen. Die meisten von ihnen stammen aus Serbien, gefolgt von Bosnien-Herzegowina und Kroatien. Jene, die zwar Wurzeln auf dem Balkan haben, jedoch den österreichischen Pass besitzen, sind in diese Zahl nicht miteingerechnet. Mit ihnen würde die Zahl auf geschätzte 600.000 Personen steigen. Es war daher nur eine Frage der Zeit, bis sich auch der österreichische Boulevard dieser Leserschaft widmen würde. Seit Dezember 2018 veröffentlicht die Tageszeitung Heute online wöchentlich Balkan-Blogs (ohne Angabe eines Autors) und versucht damit eine Lücke zu schließen, die man nicht unbedingt hätte schließen müssen: "Witzige" Beiträge über eine (diverse) Community werden hier mit plakativen Klischees dermaßen überfüllt, dass der Humor (sofern es ihn in den Beiträgen je gegeben hat) verloren geht. Es klingt harmlos, jedoch muss man bedenken, dass ein Teil der LeserInnen diese Community nur aus Vorurteilen kennt. Die Einführung des Blogs ist ein strategischer Schachzug, mit dem man die Balkan-Community ansprechen will. "Die Menschen aus Serbien, Bosnien und Kroatien gehören zu den größten Einwanderergruppen Österreichs – trotzdem finden sie in der medialen Berichterstattung tendenziell wenig Beachtung. Unser Blogger berichtet aus einer persönlichen Warte darüber, welche Erfahrungen er als Teil der Balkan-Community in Wien macht", erklärt die Online-Chefredakteurin der HeuteJacqueline Büchi, gegenüber k.at. Ein solcher Blog ist an und für sich eine ganz nette Idee, denn der Autor hätte die Chance, das Sprachrohr der Communitys zu werden. Diese Chance wird nicht genutzt.

Verharmlosung des Gastarbeiterlebens

Stattdessen irritieren die Blog-Beiträge, die solche Titel tragen "Darum gehört die Jogger am Balkan zum guten Ton“ oder "Weshalb wir Balkan-Kinder so auf Rap abfahren“. Man könnte davon absehen, dass es sich bei den Beitragsbildern um schlecht gephotoshopte, pseudo-nostalgische Collagen handelt, denn irgendwie sind sie so grässlich, dass sie wieder witzig sind. Störender ist ohnehin der Inhalt, der vor allem Vorurteile, vom Kleidungsstil bis hin zur Musik, reproduziert, ohne dabei aufzuklären oder Argumente vorzubringen. Im Blog über Rap-Musik steht, dass die Balkan-Community Deutschrap höre, "weil es sich damit so wunderbar gegen die Eltern rebellieren ließ. Sido und Co. überschritten lyrisch die Grenzen, die wir im realen Leben nicht anzutasten wagten". Diese Erklärung lässt sich nahezu auf jeden Teenie übertragen, der Rap-Musik hört. Was dabei "typisch" für Balkan-Kinder sein soll, ist nicht klar. Dabei gäbe es ausgerechnet in diesem Blog die Chance, über einen wichtigen und oft übersehenen Aspekt zu schreiben: Vorbilder. Beispielsweise wird der Wiener Künstler RAF Camora von Jugendlichen mit Migrationshintergrund als Held gefeiert, weil er aus einem ähnlichen Milieu stammt wie sie. Im Februar füllte er an zwei Konzertabenden die Wiener Stadthalle. Den Traum des sozialen Aufstiegs haben nicht nur Rapper, sondern eben auch nichtprivilegierte Jugendliche, die die Musik nicht ausschließlich als Rebellion hören, sondern sich mit den KünstlerInnen identifizieren können. 

Das nächste Glied in einer langen Kette

Die Blog-Reihe ist bei Weitem keine Neuheit in der Medienbranche. Die ORF-Sendung Heimat Fremde Heimat wird seit 1989 jeden Sonntag ausgestrahlt und widmet sich der ethnischen Vielfalt Österreichs. Knapp zwei Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben in Österreich. Im halbstündigen Magazin geraten Themen, die die MigrantInnen beschäftigen und betreffen, zu kurz. Dennoch wird im öffentlich-rechtlichen Fernsehen versucht, innerhalb von 30 Minuten Hintergrundwissen über die verschiedenen Communitys zu vermitteln. Zudem gibt es seit über zehn Jahren die Zeitschriften Biber (für diverse migrantische Communitys), Kosmo (für Ex-Yu Communitys) und seit wenigen Jahren auch das Fresh-Magazin, das sich dem Black Austrian Lifestyle widmet. In dem Kontext sind natürlich auch eingestellte Projekte wie daStandard, die Medien-Servicestelle "Neue Österreicher/innen" oder "M-Media" zu nennen. Dass diese Projekte und die Heute verschiedene journalistische Ansprüche haben, ist klar. "Der Blog verfolgt das Ziel, Berührungsängste zwischen den Bevölkerungsgruppen abzubauen. Wenn unser Blogger über sein Leben 'zwischen Sarma und Wiener Schnitzeln' schreibt, spielt er bewusst mit Klischees – jedoch immer augenzwinkernd und auf eine sympathische Art und Weise", erklärt Büchi. Doch nicht jedes Thema kann mit Witz und Humor abgetan werden. 

Nationalismus mit Humor nehmen

In einem Heute-Blog-Eintrag mit dem Titel "Balkaner ist gleich Balkaner? Von wegen!“ wird über die Unterschiede zwischen Menschen aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien und Serbien aufgeklärt. Es wird gewarnt, dass der Überblick der einzelnen Nationalitäten nicht ernst gemeint sei. Einen Satz wie "Wertvolle Hinweise liefert auch das Mobilitätsverhalten: Ein echter Serbe hat ein Auto. Häufig einen BMW oder einen Mercedes", kann man ohnehin nicht sehr ernst nehmen. Aber auch hier wurde die Chance verpasst, über Entwicklungen in der Community aufzuklären.

In einem Absatz werden die KroatInnen so beschrieben: "Bei den Kroaten geht es im Vergleich etwas gemächlicher zur Sache. Dafür kann es in Sachen 'Nationalstolz' nie genug sein. So sieht man den Kroaten in 'freier Wildbahn' nicht selten mit einem rot-weiß-kariertem Trikot herumlaufen. Besonders während einer Welt- oder Europameisterschaft wird das Shirt des Nationalteams zu einer zweiten Haut." Was dabei nicht gesagt wird: laut AugenzeugInnen wurden 2018 während mehrerer WM-Partys in Wien Fahnen des faschistischen Ustascha-Regimes gezeigt. Es kam auch mehrfach zu "Sieg Heil"-Rufen in Richtung der Polizei. Ähnliche Szenen spielten sich im Juni 2018 nach dem Match zwischen der Schweiz und Serbien ab. Als es nach der Niederlage Serbiens zu Ausschreitungen und Schlägereien in Wien kam, wurden laut Augenzeugen auch lauthals Sprüche ausgerufen, die den Genozid in Srebrenica verherrlichen. Natürlich sind nicht alle KroatInnen oder SerbInnen nationalistisch eingestellt. Aber man kann in einem Blog nicht über Nationalstolz schreiben, ohne auch die Schattenseiten zu erwähnen.

Man denke da auch an den Aufmarsch kroatischer Rechtsextremer in Bleiburg, der als das größte Treffen der Rechtsextremen in Europa gilt. Diese Gedenkveranstaltung kroatischer Neofaschisten wurde bisher jedes Jahr im Mai begangen. Heuer hat die Diözese Gurk-Klagenfurt, unter deren Schutz das Gedenken stattfand, den OrganisatorInnen die Erlaubnis entzogen, auf dem Loibacher Feld eine Gedenkmesse abzuhalten. Ob und wie das Treffen der rund 15.000 BesucherInnen in Bleiburg abgehalten wird, ist noch nicht bekannt. 

Aber zurück zu den Blog-Beiträgen: Sie werden von einem anonymen Autor geschrieben, der Wurzeln aus Bosnien und Herzegowina, Kroatien oder Serbien hat. "Der Blog ist so konzipiert, dass er alle Regionen des Balkans gleichermaßen berücksichtigt. Der Umstand, dass wir die Identität unseres Redakteurs nicht publik machen, erlaubt es ihm, die Landesgrenzen bloggend zu überwinden und unterschiedlichste Perspektiven einzunehmen", sagt BüchiGenau aus dem Grund liegt es in seiner Verantwortung, bei solchen Themen in die Tiefe zu gehen, die Probleme der Communitys anzusprechen und die Reichweite zu nutzen, die er von einem Massenmedium wie der Heute bekommt. Alles andere ist reine Zeitverschwendung.

Anmerkung: Wenn man sich tatsächlich für das Balkan-Gebiet oder die Menschen interessiert, kann man sich seine Informationen auch anderweitig beschaffen. Nützliches erfährt man beispielsweise auf "balkanstories", dem Blog des Wiener Journalisten Christoph Baumgarten. Auch der Podcast "Ballaballa-Balkan" der Redakteure Danijel Majić und Krsto Lazarević ist empfehlenswert.