Alistair MacRobert via unsplash.com

Die panische Angst vor dem Luftzug: Am Balkan kommt der Tod durch das Fenster

Am Balkan fürchtet man eine Krankheit, die nicht einmal die Weltgesundheitsorganisation klassifizieren kann.
Adisa Beganovic Adisa Beganovic

Für dich ausgesucht

Ein kurzer unbedachter Moment im Luftzug kann unweigerlich zu qualvollen Schmerzen oder gar Tod führen. Den Überlieferungen zufolge kann promaja, propuh oder promaha Leiden wie Erkältungen, Entzündungen, Gebrechen oder sogar einen Schlaganfall hervorrufen. Sobald im Büro, in der Wohnung oder in der U-Bahn zwei entgegengesetzte Fenster gleichzeitig offen sind, wird man bereits vom leisen Tod umgeben, nämlich der promaja. Gegen den tückischen Luftzug gibt es kein Heilmittel, wenn er dich erwischt, bist du dran. Das Einzige, das helfen kann: Ihn zu meiden oder gänzlich zu unterbinden. 

Keine andere Krankheit wird am Balkan so gefürchtet wie der Durchzug. "Mach das Fenster zu, die promaja wird mich noch umbringen", ist wohl der häufigste Kommentar, den man zu hören bekommt, unabhängig davon, wie heiß es draußen ist. Doch der Mythos hat einen wahren Kern. Eine britische Studie zeigt, dass partielle Körperunterkühlungen zu Krankheiten und Verspannungen führen können. Wenn das Immunsystem angegriffen ist, kann man sich vom Luftzug eine Mittelohrentzündung oder Erkältung einholen.

Zwar ist das nicht mit den Horrorgeschichten zu vergleichen, die einem seit Kindesbeinen eingetrichtert wurden, aber selbst der abwegigste medizinische Beleg reicht in diesem Fall aus, um die Legende aufrecht zu halten. Schwerwiegende Erkrankungen wie Gehirnhautentzündungen oder Lähmungen in Zusammenhang mit dem Luftzug wurden bisher nicht nachgewiesen. Dennoch liegt die tiefsitzende Angst quasi in der Luft. Sie wurde von Generation zu Generation mit passenden Horrorgeschichten weitergegeben – eine pädagogische Maßnahme, um Menschen vor Erkältung zu schützen. Die Region am Balkan ist anfällig für genau solchen Mystizismus, weshalb die Furcht vor promaja auch die nächsten Jahrhunderte unter uns weilen wird.