Ich bin delulu, heißt: Ich drücke mir selbst die Daumen!

Screenshots von TikToks mit dem Thema "delulu"
Was bedeutet es eigentlich "delulu" zu sein? Und warum ist das vielleicht einer der tatsächlich wichtigen TikTok-Trends?

Du hast bestimmt schon einmal jemandem "die Daumen gedrückt", oder? Und genauso wahrscheinlich hast du schon mal "für etwas gebetet". Religiöse Fanatiker:innen würden mich für eine Gleichstellung dieser beiden Ausdrücke im übertragenen Sinne kreuzigen, jedoch verbindet sie derselbe Grundgedanke. Die Vorstellung, manchmal auch Überzeugung, dass wir die (unsere) Wirklichkeit willentlich beeinflussen können, ist ein Glaube, an dem die Menschheit seit Anbeginn ihres Denkens festhält.

Während meine älteren Geschwister mit "Fake it 'till you make it" aufwuchsen, verwendet die Generation Z wieder ein neues Wort für dasselbe Phänomen. "Delulu sein": Man stelle sich vor, man drückt sich selbst die Daumen!

Was bedeutet es, delulu zu sein?

Der Ausdruck kommt vom englischen Wort "delusional", was wahnhaft bedeutet. Wenn Menschen von sich behaupten, "delulu" zu sein, handelt es sich gerade nicht um einen psychiatrischen Notfall sie glauben einfach an das Unglaubliche. Es ist sozusagen "falsches Selbstvertrauen" – aber im positiven Sinne! Denn: "Being delulu is the solulu!" (von engl. solution, die Lösung)

"Delulu" zu sein bedeutet zwar, in einer Traumwelt zu leben, aber diese Traumwelt ist vielleicht viel näher, als wir manchmal denken. Eine der Vorreiterinnen der Bewegung ist das "Tube Girl" aus London. Sabrina Bahsoon ist in ihren Videos "delulu", weil sie so tut, als wäre sie in einem Musikvideo. Für die Leute in der U-Bahn mag das lächerlich sein, aber für sie bedeutet es Erfolg und Ruhm im Internet, was sich heutzutage leicht auf das "wirkliche Leben" übertragen lässt.

Um es mit ihren eigenen Worten zu sagen: "Delulu ist ein Weg, das peinliche Gefühl des 'cringe' zu bekämpfen. Stattdessen fühlt man sich in 'delulu-land' 'selbstbewusst und wunderbar'.

"Delulu sein" in der Welt des K-Pop

In den Fangemeinden südkoreanischer Boy- und Girlgroups war "delulu" schon ein Begriff, bevor die TikTok-Community dem Wort eine neue Bedeutung gab. Allerdings hat der Ausdruck hier eine deutlich andere, negativere Konnotation – wenn beispielsweise ein Fan die Wahnvorstellung, ein Bandmitglied zu daten, tatsächlich "als Wahrheit akzeptiert" hat, ist das in diesem Kontext eindeutig "delulu".

Hier würde man auch im medizinisch-psychologischen Kontext von einer Wahnvorstellung sprechen. Diese ist nicht zu verwechseln mit einer scherzhaften Selbstbezeichnung in sozialen Medien. Der Fankult um viele der weltweit massiv erfolgreichen K-Pop-Bands mit ihren Gesangsmelodien und Tanzchoreografien ist mit dem anderswo auf der Welt nicht zu vergleichen.

Was bedeutet es für uns, delulu zu sein?

In einer Welt, in der gefühlt alles schiefläuft und es fast nur schlechte Nachrichten gibt, ist "delulu" für viele junge Menschen ein Zufluchtsort. Hier sind einige Statements zum Thema "delulu":

Was ich denke:

Für mich bedeutet es: "Irgendwie, irgendwo, irgendwann wird schon alles passen. Und wenn es noch nicht passt, dann muss man eben woanders hin, wann anders oder wie auch immer. Es gibt immer eine Möglichkeit, man muss sie nur sehen. Ich glaube, meine Generation weiß nicht, wann sie aufgeben soll – und das ist unsere größte Stärke."

Ivy, 23

Durch "delulu sein" kann man sich einfach eine positive Einstellung herbeiwünschen, ähnlich wie beim Demonstrieren, und sich nicht erlauben, negativ über eine Situation nachzudenken. Dabei ist es egal, ob diese romantischer oder professioneller Natur ist: "Delulu is the Solulu" ("Delusion is the Solution") ist das Motto einer Generation von hoffnungslosen Romantiker:innen und optimistischen Denker:innen – einer von Idealen getriebenen Generation Z.

Julia, 30

Für mich bedeutet "delulu sein" eigentlich nur, übermäßig optimistisch zu sein, bis zu dem Punkt, an dem es wirklich "delusional" wird. Aber eigentlich bedeutet es, eine gute Einstellung zu haben oder seine Chancen mit viel Wohlwollen zu interpretieren.

Fazit: "Delulu sein" ist der Eskapismus der neuen Generation

"Dem Alltag entfliehen", "das Leben selbst in die Hand nehmen" – es gibt fast unendlich viele Möglichkeiten, das Gleiche zu sagen. Tatsache ist, dass wir uns alle hin und wieder, wenn das echte Leben zu grau wird, lieber einer gerade noch erreichbaren Fantasie zuwenden. Das Glauben an die Erreichbarkeit dieser Traumvorstellung macht den Weg dorthin erträglich, wir merken gar nicht, wie hart wir für dieses Ziel arbeiten. Das ist die wahre Kraft des "delulu sein": In freudiger Erwartung des scheinbar unerreichbar Guten überstehen wir auch das unangenehmste Schlechte.

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