Feminine Energie: Stecke ich in meiner Soft-Life-Era?

weiße Bettwäsche liegt zusammen mit einem Buch und einer Kerze auf einer Wiese
Selma Tahirovic
Der TikTok-Trend "Soft Life" verspricht, dass man durch seine feminine Energie nicht nur ein besseres, sondern auch angenehmeres Leben führen soll.

Ich backe mein eigenes Brot, nehme mir beim Schminken besonders viel Zeit und lese Bücher im Bett, während das zarte Sonnenlicht auf meinem Gesicht tänzelt. Hier und da esse ich eine Traube und schreibe anschließend in mein Journal, wie dankbar ich für mein Leben bin. So oder so ähnlich könnte die "Soft Life Era" laut TikTok aussehen. Es geht um Entschleunigung, Entspannung und ja sogar um feminine Energie. Doch hält dieser Lebensansatz tatsächlich, was er verspricht? 

Bin ich in meiner "Soft Life Era"? 

Ich merke in letzter Zeit, dass mir meine persönliche Entspannung und Gelassenheit immer wichtiger wird. Ich möchte mich nicht mehr unnötig über verpasste Deadlines, Streitigkeiten oder Belanglosigkeiten aufregen. Im Moment möchte ich einfach nur wie eine kleine Elfe durch die Welt schweben. Ich setze meine Prioritäten anders und mehr Grenzen als je zuvor – und das hat mir inneren Frieden gegeben, den ich zuvor nicht gekannt habe. Menschen oder Dinge "auszusortieren", die mich früher in den Wahnsinn getrieben haben, fiel mir noch nie leichter, als jetzt. 

Toxische Freundschaft? Ciao. Mein sieben Jahre alter Bronzer? Auf Nimmerwiedersehen. (Es wurde Zeit, ich weiß.)

Ob das die "Soft Life Era" ist, von der auf TikTok gesprochen wird? Immerhin wird auf der Plattform romantisiert, dass man sich beispielsweise mit seinem Kaffee in den Garten setzt und den Vögeln beim Zwitschern zuhört. Dass man eine Self-Care-Night einplant, um sich wohler zu fühlen, mehr manifestiert oder Clubbing & Co. absagt, um seine Mitte zu finden. Meine Lebensfreude steht an erster Stelle, dabei vernachlässige ich jedoch nicht meinen Job oder meine Freund:innen, ich nehme mir einfach mehr Zeit für mich und mein Wohlbefinden.

Unzählige – vor allem weibliche – Nutzer:innen teilen auf TikTok wie ihre Definition der "Soft Life Era" aussieht: 

Besseres Liebesleben durch Soft Life?

Vor allem die "weibliche Energie" soll bei dem Trend eine große Rolle spielen, demnach schreiben einige Userinnen im Netz, dass sie ihrer "männliche Energie" den Rücken gekehrt haben. Aggressionen, Nörgelei & Co. adé! Das soll laut Userin sarphatieesther dazu beitragen, dass man (zumindest in heterosexuellen Beziehungen) mehr Liebesglück erleben soll. Man soll Wertschätzung zeigen, "lernen, zu fragen", wenn man etwas möchte und nicht sofort von dem Schlimmsten ausgehen, wenn einem etwas nicht passt. 

Der Mann wird dabei natürlich außen vor gelassen, "er kann nicht wissen, wie du dich fühlst", betont die TikTokerin. Äh, ja klar, aber er könnte vielleicht auch ein wenig mitdenken, oder nicht? "Soft Girls" sollen also unproblematisch, weich, flauschig, angenehm und wohlwollend sein – vielleicht sogar etwas devot – und dabei vor allem die ganze Beziehungsarbeit übernehmen. Doch trifft das alles auf mich zu? Denn während ich meine "Soft Life Era" in meinem Privatleben als Single problemlos umsetze, könnte ich in einer möglichen Partnerschaft wohl damit hadern. 

Dass wir heute noch über "feminine" und "maskuline" Energien labern, lässt mich mein entspanntes Wesen wieder vergessen und zum Drachen mutieren. Laut der TikTokerin wäre es sehr "maskuline Energie"-Vibe, wenn man sich über die Dinge beschwert, die der:die Partner:in nicht macht. Während ich kopfkratzend vor meinem Handy sitze, frage ich mich nur eines: Ist es nicht einfach menschlich? Denn irgendwann reißt auch der stabilste Geduldsfaden – wohl auch bei "Soft Girls". 

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