Abriss oder Schutz - Debatte um Denkmäler ist neu entbrannt
Diese dreht sich zum einen um die mögliche Umbenennung inkriminierter Straßennamen wie "Mohrengasse" und um das seit langem umstrittene Karl-Lueger-Denkmal in Wien. Die Statue am Dr.-Karl-Lueger-Platz nahe der Ringstraße wurde dort 1926 aufgestellt und erinnert an den 1910 verstorbenen einstigen Bürgermeister der Metropole, der als einer der Mitbegründer des politischen Antisemitismus gilt. Seit Juni wurde die Anlage wiederholt mit Parolen wie "Schande" beschmiert, und die ÖH der Uni Wien sprach sich mehrheitlich für den Abriss des Denkmals und die Unterzeichnung einer entsprechenden Onlinepetition der Jüdischen österreichischen Hochschüler (JÖH) aus. Die Diskussion um das vom Bildhauer Josef Müllner geschaffene Heldenwerk ist dabei schon deutlich älter. Schon 2009 hatte die Universität für angewandte Kunst einen Ideenwettbewerb zur Umgestaltung des Monuments ausgeschrieben.
In einem Forschungs-Newsletter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften spricht sich am Dienstag der Historiker Werner Telesko für eine Einordnung, nicht aber den Sturz ambivalenter Denkmäler aus: "Historische Persönlichkeiten sind eben zumeist nicht entweder monolithisch gut oder schlecht. Man muss unterschiedliche Schichten offenlegen." Es sei deshalb sinnvoller, die entsprechenden Denkmäler zu kontextualisieren oder mit künstlerische Interventionen zu konfrontieren. "Es sollte nicht nur um die Frage gehen: Sein oder Nichtsein, sondern darum, wie man konstruktiv in die Zukunft wirken kann", so Telesko.
"Man muss Ambivalenzen aushalten können", plädiert auch Teleskos ÖAW-Kollegin Heidemarie Uhl für einen differenzierten Umgang mit dem historischen Erbe. Ein Beispiel sei für sie Winston Churchill, der sich einerseits im Kampf gegen die Nazis verdient gemacht habe und andererseits ein Apologet des Kolonialismus gewesen sei. "Die Frage ist, wo man die Grenze zieht", so Uhl. Klar sei, dass die Kategorie des heldenverehrenden Nationaldenkmals nach 1945 desavouiert gewesen sei: "Die einzigen relevanten Denkmalprojekte in der zeitgenössischen künstlerischen Moderne sind Holocaust-Denkmäler."
Zuvor hatte der an der Akademie der bildenden Künste lehrende Eduard Freudmann im "Standard" (Samstagsausgabe) zu "Mehr Mut zum Denkmalsturz!" aufgerufen. Das Hinterfragen von Geschichtsbildern, die sich in Denkmälern oder Straßennamen manifestierten, sei Ausdruck einer selbstbewussten demokratischen Gesellschaft. So gut Zusatztafeln als Erläuterung seien, blieben diese doch auf Stadtplänen und Postsendungen unsichtbar. Außerdem gelte: "Neben der dominanten Ästhetik der Denkmäler verkommen sie zu unscheinbaren Zusatztaferln, räumlichen Fußnoten in der gesellschaftlichen Aushandlung von Geschichtsbildern."
Das gelte nicht zuletzt beim Lueger-Denkmal, so Freudmann. Seine Conclusio: "Die Statue sollte ins Museum - oder in einen Skulpturenpark. Der verbleibende Rest des Denkmals, etwa der mit vermeintlichen Errungenschaften Luegers bebilderte Sockel, bietet sich dazu an, zur künstlerischen Umgestaltung und Kontextualisierung ausgeschrieben zu werden."
Am Montag hatte sich Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler gegenüber der "Krone" gegen einen solchen radikalen Schritt ausgesprochen: "Ich bin dafür, dass eine Stadt mit ihren Wunden umgeht und sie nicht aus dem Blick räumt. Deshalb halte ich Zusatztafeln für den richtigen Weg." Es gehe um das Aufzeigen von Vielschichtigkeit: "Wenn wir nur noch positiv besetzte Ortsbezeichnungen hätten, würden wir Geschichtsklitterung betreiben. Wien hat in seiner Geschichte immer wieder Schuld auf sich geladen, diese muss auch im öffentlichen Raum erkennbar bleiben."
Bereits im Juni hatte sich Peter Autengruber vom Institut für Zeitgeschichte der Uni Wien gegenüber dem "Standard" gegen den dezidierten Sturz von Statuen gewandt. Man solle sie vielmehr in ein Depot stecken "und sich überlegen, was man damit macht". Im konkreten Falle des Lueger-Denkmals sprach er sich für eine künstlerische Intervention aus, mit der die Ambivalenz der Figur Lueger verdeutlicht werde.
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