Grüne setzen auf den Irak – Türkei sei möglicher "Brandherd"

Fragezeichen über der Rolle der Türkei als Europas "Torhüter"
Die Grünen sprechen sich angesichts der wachsenden regionalen Instabilität für eine engere Kooperation mit dem Irak aus.

Der bisherige Kooperationspartner Türkei könnte nämlich durch Turbulenzen rund um die Wahlen im Mai selbst zum "Brandherd" werden, warnte die außenpolitische Sprecherin der Grünen, Ewa Ernst-Dziedzic, im APA-Gespräch. "Wir dürfen uns nicht allein auf die Türkei verlassen." Im Irak sei die Lage hingegen "stabiler denn je".

Lage im Irak sei "stabiler denn je"

Ernst-Dziedzic äußerte sich nach einer Reise, die sie in der Vorwoche in die irakische Hauptstadt Bagdad und die autonomen Kurdengebiete im Norden des Landes geführt hatte. "Wir haben im Irak ein Window of Opportunity. Die Lage dort ist stabiler als in den vergangenen 30 Jahren", betonte sie. In ihren Gesprächen habe sie großes Interesse an engerer Zusammenarbeit mit Europa festgestellt, und dafür sollten alle Kanäle genützt werden. Österreich komme dabei auch sein Status als neutrales Land zugute, und es könnte eine Vorreiterrolle übernehmen. Langfristig solle Österreich auch wieder eine Botschaft im Land eröffnen. Sie selbst will im Parlament eine österreichisch-irakische Freundschaftsgruppe initiieren, an der sich alle Fraktionen beteiligen sollen.

Entwicklung in Türkei bereitet Sorge

Sorge bereitet der Abgeordneten hingegen die Entwicklung in der Türkei, wo Präsident Recep Tayyip Erdogan nach dem verheerenden Erdbeben massiv unter Druck gekommen ist und ums politische Überleben kämpft. Viele Menschen in der Region gehen davon aus, dass die türkischen Angriffe in den Kurdengebieten vor den Parlaments- und Präsidentenwahlen am 14. Mai fortgesetzt werden. "Die Angst davor ist total groß, die Leute sitzen auf ihren Koffern", warnte Ernst-Dziedzic vor einer neuen Flüchtlingswelle.

Die Region werde nicht zur Ruhe kommen, solange die Türkei ihre bisherige Politik fortsetze, sagte die Nationalratsabgeordnete. Daher gehe es darum, Kontakt zu allen AkteurInnen zu halten, die den Friedensprozess unterstützen können. So will Ernst-Dziedzic am 7. März im Parlament eine Konferenz zur Lage in den von der Türkei angegriffenen Kurdengebieten in Syrien abhalten. Erwartet werde unter anderem der "Außenminister" der dortigen Kurden-Selbstverwaltung. "Wir werden mit Betroffenen diskutieren, was die europäische Antwort sein kann. Eine ist, dem NATO-Staat Türkei die rote Karte zu zeigen", sagte sie mit Blick auf die Militärkampagne der Türkei im Nachbarland. Europa könne die Türkei mit dem Flüchtlingsdeal erpressen und die NATO mit der Norderweiterung. Dabei gebe es aus den syrischen Kurdengebieten keine Angriffe auf die Türkei, wies Ernst-Dziedzic die türkische Argumentationslinie, wonach es sich um "Selbstverteidigung" handle, zurück.

Türkei als möglicher Brandherd oder Stabilitätsrisiko

Ernst-Dziedzic plädierte für eine Kooperation mit den "vernünftigen Kräften in der Türkei" und sieht diesbezüglich auch die EU-Beitrittsperspektive als nützlich an. "Wir dürfen die Türkei nicht auf Erdogan reduzieren, mit dem ein Beitritt nicht realistisch ist", sagte sie. Ob es nach der Wahl "andere Ansprechpartner" und gar eine friedliche Transformation in Richtung Demokratie geben könnte, sei offen. "Es kann in beide Richtungen ausschlagen", warnte sie. "Es könnte auch eine Entwicklung in die andere Richtung geben, dass die Türkei selbst zum Brandherd oder Stabilitätsrisiko wird." Bisher sei das Land nämlich "trotz allen Problemen unser Partner und Torhüter in der Region". Gerade deshalb sei es wichtig, neue Kooperationspartner wie die irakische Zentralregierung sowie die Regierung des irakischen Kurdistans zu finden.

Die Grün-Abgeordnete wies darauf hin, dass es sich um eine "Schlüsselregion" für die "Hilfe vor Ort" handle. Angesprochen auf die von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) als "historisch" gelobten Ergebnisse des EU-Sondergipfels zur Migration bekräftigte Ernst-Dziedzic ihren Fokus darauf, illegale Migrationsströme durch Bekämpfung der Ursachen anzugehen. "Mein Fokus sind nicht Mauern und Zäune", betonte sie. Es handle sich dabei um eine "teure Abschreckung", bei der man die Frage stellen müsse, "inwieweit sie funktioniert". "Es ist keine Hilfe vor Ort, wenn man eine Mauer baut. Die Menschen machen sich trotzdem auf den Weg", argumentierte sie. Wichtig sei es, Menschen in Ländern wie etwa auch dem Irak "Perspektiven" zu geben.

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