Innsbrucks Ex-ÖVP-Vizebürgermeister Anzengruber abgewählt
Ex-ÖVP-Politiker Johannes Anzengruber, der zuletzt eine eigene Kandidatur bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl im April 2024 angekündigt hatte, wurde von einer Mehrheit im Stadtparlament u.a. bestehend aus ÖVP, FI (Für Innsbruck) und FPÖ des Amtes enthoben. Damit wurde in dieser Periode zum dritten Mal ein Vizestadtchef "abberufen".
Grund: Ermittlungen rund um das Verschenken von Erlebnis Cards Tirol
Begründet hatte die ÖVP die Abwahl, die von ihr maßgebend betrieben worden war, unter anderem mit Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft rund um das Verschenken von Erlebnis Cards Tirol. Anzengruber hatte über 2.000 Stück dieser Karten etwa an Feuerwehrmitglieder und die Belegschaft eines Pflegeheims verteilt. Anzengruber sah selbst nichts Verwerfliches und meinte, nur eine Vermittlerrolle eingenommen zu haben. Ihm nachfolgen soll nun ÖVP-Gemeinderat Andreas Wanker, der ÖVP-Klub nominierte ihn als Nachfolger im Stadtsenat. Wanker schloss eine Wiederkandidatur bei der kommenden Wahl indes aus. Die Ressorts fallen Bürgermeister Georg Willi (Grüne) zu. Insgesamt stimmten bei der namentlichen Abstimmung 23 Gemeinderäte für die Abwahl. 16 Mandatare, darunter Grüne, SPÖ und NEOS, hingegen dagegen. Ein Gemeinderat enthielt sich.
ÖVP-Ersatzgemeinderat Dominik Berloffa, der den Antrag eingebracht hatte, warf Anzengruber mangelnde Einsicht vor. "Jeder andere Politiker" hätte wegen der Ermittlungen sein Amt ruhend gestellt, meinte er und heimste damit etliche Häme im Gemeinderatssaal ein, als NEOS-Gemeinderätin Abg. Julia Seidl in einem Zwischenruf auf Ermittlungen gegen ÖVP-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka verwies. Berloffa ortete trotzdem eine "verheerende Optik" der Vorgänge und mahnte "juristische, politische, moralische und menschliche Verantwortung" ein.
Anzengruber appellierte an "Gewissen" der Gemeinderäte
Anzengruber selbst appellierte noch an das "Gewissen" der Gemeinderäte und versicherte, dass er sich immer für die Stadt eingesetzt habe. Die Vorgänge bezeichnete er als "ziemliche Räubergeschichte" und als "sehr unsauber und untergriffig". Für ihn sei klar, dass es "nur um parteitaktische Spielchen mit Blick auf die Gemeinderatswahl" gehe und empfand sich trotz noch laufender Ermittlungen vorverurteilt. Einmal mehr hielt er fest: "An der Sache ist nichts dran und das wisst ihr."
FI-Chefin und Stadträtin Christine Oppitz-Plörer argumentierte die Abwahl damit, dass Anzengruber "mit aller Macht und unter Ausnutzung jeder stadtrechtlicher Möglichkeiten versucht, das Magistrat noch umzubauen." Außerdem treffe er im Stadtsenat mit der Hilfe von SPÖ und Grünen "wissentlich Entscheidungen, bei denen sie wissen, dass sie nicht der Mehrheit im Gemeinderat entsprechen" und ortete gar "Machtmissbrauch". Zudem gehe es - nachdem Anzengruber nicht mehr Teil der ÖVP ist - um eine "repräsentative Abbildung in den verschiedenen Gremien."
Grüne, SPÖ, Liste Fritz, die Alternative Liste Innsbruck (ALI) und einige freie Mandatare waren hingegen ganz anderer Meinung. Bürgermeister Willi ortete "in Wahrheit ein großes Spektakel, das inszeniert wird von Christine Oppitz-Plörer, Christoph Appler (ÖVP-Klubobmann, Anm.) und Florian Tursky (ÖVP-FI-Bürgermeisterkandidat und ÖVP-Staatssekretär, Anm.)." Da habe Anzengruber "einfach nicht reingepasst und dann hat man Gründe gesucht, ihn abzuwählen." SPÖ-Stadtparteiobmann Benjamin Plach sah ein "Scherbengericht der ÖVP", wobei die FPÖ als "lachender Dritter" hervorgehe. Die Blauen würden dies wohl aus "Kalkül" für die Zeit nach der Wahl machen, meinte er.
Dem widersprach FPÖ-Stadtrat Rudi Federspiel: "Wir sind nicht die lachenden Dritten, sondern wir haben eine klare Entscheidung getroffen. Wir werden in diesen letzten Monaten versuchen, diese linke Partie in die Schranken zu weisen."
Heftiges Zerwürfnis war der Abwahl vorausgegangen
Der Abwahl vorausgegangen war ein heftiges Zerwürfnis zwischen Anzengruber und seiner ehemaligen politischen Heimat ÖVP, die mittlerweile mit FI ein bürgerliches Wahlbündnis einging. Tursky (ÖVP) möchte für das Bündnis den Bürgermeistersessel erobern. Anzengruber wollte aber selbst als ÖVP-Spitzenkandidat für das Bürgermeisteramt ins Rennen gehen und auch Stadtparteiobmann werden. Nachdem sich die Stadt-Schwarzen jedoch für Tursky entschieden hatten, kündigte Anzengruber an, mit seiner Liste "Ja - Jetzt Innsbruck" ins Rennen zu gehen. Zuletzt war Anzengruber auch aus dem ÖVP-Klub ausgeschlossen worden.
Der Vizebürgermeistersessel in Innsbruck mutierte in der aktuellen Legislaturperiode, die seit 2018 währt, zum Schleudersitz. Die ehemalige Bürgermeisterin Oppitz-Plörer wurde im Jahr 2019 als Vize abgewählt. Nur kurze Zeit später musste ihre Nachfolgerin Uschi Schwarzl (Grüne) als Vizestadtchefin das Feld räumen. Beide verblieben im Stadtsenat als Stadträtinnen. Auf Schwarzl folgte der freiheitliche Markus Lassenberger, der das Amt bis heute inne hat.
Neben dem Abwahlantrag stand in der letzten Gemeinderatssitzung des Jahres auch der Beschluss für das Budget 2024 auf der Tagesordnung, der am Freitag behandelt werden soll. Im Vorfeld gab es bereits gehörigen Wirbel um den Haushaltsplan. Im Finanzausschuss wurde nämlich von den Parteien ÖVP, FI und FPÖ eine 50-Prozent-Sperre auf alle frei zu vergebenden Subventionen und Budget-Positionen beschlossen. Die Grünen und mit ihr Bürgermeister Georg Willi liefen dagegen Sturm und sahen etwa Vereine und Feste bedroht. Eine Stellungnahme der Aufsichtsbehörde des Landes betrachtete die Haushaltssperre aber als "nicht verhältnismäßig, weil dadurch der Budgetvollzug über das gesamte Finanzjahr gesehen, für das der Voranschlag erstellt wird, gefährdet ist."
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