Klitschko kritisiert Nein zu Energie-Embargo als "Ausrede"

Klitschkos Botschaft ist klar: Kein Cent mehr für den Aggressor
Der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko hat kein Verständnis für das Nein Österreichs und anderer europäischer Staaten zu einem Energieembargo gegen Russland.

"Man kann viele Begründungen anführen. Aber wer will, findet einen Weg. Und wer nicht will, findet immer eine Ausrede", sagte Klitschko der "Presse am Sonntag". Er verstehe nicht, "dass es Politiker gibt, die immer noch versuchen, auf zwei Hochzeiten zu tanzen".

"Sie unterstützen die Ukraine rhetorisch und verurteilen den Krieg. Aber zugleich sind sie nicht zu harten Sanktionen gegen Russland bereit", kritisierte Klitschko. Unter anderem wegen des massiven Widerstands des am russischen Gastropf hängenden Österreichs hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am Freitag nicht auf einen Stopp der Energielieferungen aus Russland verständigen können.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zog auf die Frage nach einem Öl- und Gasembargo gegen Russland einen drastischen Vergleich und meinte: "Das ist, (wie) wenn man sich ins linke und rechte Bein gleichzeitig schießen würde." Parallel zum Bekanntwerden von Klitschkos Interview postete der ÖVP-Chef am Samstagnachmittag auf Twitter ein Video, das er vom Büroleiter Klitschkos erhalten habe und zeige, wie 9.100 österreichische Splitterschutzwesten in Kiew entladen werden. "Mit Schutzausrüstung helfen wir, so gut wir können", kommentierte Nehammer.

Klitschko forderte neben humanitärer Hilfe auch Waffenlieferungen und ein komplettes Embargo der russischen Wirtschaft, denn "jeder Cent, den die Russische Föderation bekommt, wandert in die Armee". "Ich verstehe, dass Sanktionen der Tod sind für die Wirtschaft und für das Geschäft. Aber die Welt ist schwarz-weiß geworden. Entweder man steht auf der Seite der Ukraine, die für ihre Unabhängigkeit kämpft, oder man steht auf der Seite des Aggressors", betonte Klitschko.

Der Kiewer Bürgermeister zeigte sich zuversichtlich, dass die Ukraine im Kampf gegen Russland bestehen wird. "Ich habe ein tiefes Bauchgefühl: Alles wird in Ordnung. Es wird bald Frieden geben. Ich weiß zwar nicht wann, aber ich weiß, dass wir dafür kämpfen müssen", sagte er. "Wir hoffen das nicht, aber wir schließen es nicht aus", sagte er auf eine Frage nach einem möglichen Einsatz von Massenvernichtungswaffen durch Russland.

Auf die Frage, ob es eine Verhandlungslösung geben könnte, antwortete er: "Meine Worte sind vielleicht hart, aber ich sehe keinen anderen Weg als diesen: Jeder in Russland muss verstehen, dass dieser Krieg sinnlos ist. Aber leider verstehen sie das erst dann, wenn Leichen nach Russland kommen. Sie müssen an den Punkt kommen, an dem sie sich selbst die Frage stellen: Wofür sterben unsere Söhne und Männer?"

"Ich sage es ehrlich: Wir waren nicht bereit für den Krieg", sagte Klitschko. Man habe gehofft, dass es sich um einen "Bluff" Russlands handle. "Ich habe auch nicht geglaubt, wie unmenschlich und blutig dieser Krieg wird", verwies er auf einige Städte im Umfeld Kiews, die es "nicht mehr" gebe. In Kiew sei die Versorgung "im Moment gut", doch seien 300 Gebäude zerstört und fast ebenso viele Menschen getötet worden.

"Wir schätzen, dass die Hälfte der Bewohner nicht mehr in Kiew ist", sagte der Bürgermeister der Drei-Millionen-Metropole. "Vor allem Kinder, Frauen und Ältere haben die Stadt verlassen. Wir sehen die Tendenz, dass Männer ihre Familie in Sicherheit gebracht haben und jetzt zurückkehren", so Klitschko. Die Verteidiger seien "sehr motiviert". "Die russischen Soldaten kämpfen für Geld. Wir kämpfen um Leben und Tod, für unsere Kinder, für unsere Zukunft." Dies sei "ein riesiger Unterschied. Als ehemaliger Kämpfer möchte ich eines sagen: In jedem Kampf ist nicht die Waffe das wichtigste, sondern der Wille."

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