Warum man offen über Mental Health sprechen sollte
Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es um mentale Gesundheit und behandelt dabei auch Themen wie psychische Krankheiten und Suizid. Personen, die auf diese Themen sensibel reagieren, sollten hier nicht weiterlesen.
"I've been on the low
I been taking my time
I feel like I'm out of my mind
It feel like my life ain't mine"
So singt der Rapper Logic bei seinem Lied "1-800-273-8255", dessen Titel die US-amerikanische Hotline für Suizidprävention ist. Die Veröffentlichung des Songs führte laut der "BBC" zu mehr Anrufen bei der Hotline. Indem über Mental Health gesprochen oder viel eher gesungen wurde, haben sich also Betroffene eher Hilfe geholt.
Das ist nur ein Beweis, warum es wichtig ist, über Mental Health zu sprechen und aufzuklären – und warum eine Destigmatisierung, wenn es um Mental Health geht, so wichtig ist.
Fakten über Mental Health
- In Österreich nahmen sich 2019 1.113 Personen das Leben. Das ist fast drei Mal so viel wie im Straßenverkehr. Das entspricht einer Suizidrate von 13 pro 100.000 EinwohnerInnen. Das teilt das österreichische “Sozialministerium” in einem Bericht zu “Suizid und Suizidprävention in Österreich” mit.
- Laut dem “Sozialministerium” sind mehr als drei Viertel der Suizidtoten Männer.
- Seit den 1980er Jahren ist ein deutlicher Rückgang der Suizide in Österreich zu beobachten, wie das "Sozialministerium" meldet.
- Jedoch gehen internationale Studien davon aus, dass Suizidversuche die Zahl der Suizide um das zehn- bis 30-fache übersteigen. Das berichtet das "Sozialministerium".
Es geht jedoch nicht nur um Suizide, die die tragische Spitze des Eisberges bilden, sondern auch um andere psychische Krankheiten. Denn, wenn psychische Störungen behandelt werden, können Suizide vermehrt verhindert werden. Im Folgenden findet ihr Zahlen zu psychischen Krankheiten in Österreich:
- Laut der Österreichischen Sozialversicherung nahmen jährlich "rund 900.000 Österreicher und ÖsterreicherInnen [...] das Gesundheitssystem wegen psychischer Erkrankungen in Anspruch."
- Die Zahl der Betroffenen ist leider stark steigend – um rund 12 Prozent innerhalb von drei Jahren.
- "39 Prozent der Menschen in Österreich waren in der Vergangenheit oder sind aktuell von einer psychischen Erkrankung betroffen", so Sophie Karmasin, die Autorin der "Studie zur psychischen Gesundheit in Österreich", bei einer Pressekonferenz des Berufsverbandes Österreichischer PsychologInnen (BÖP), wie das “Öffentliche Gesundheitsportal Österreichs” zitiert.
- "Schätzungen der WHO zufolge leiden 5,1 Prozent der österreichischen Bevölkerung an Depressionserkrankungen." Das teilt das Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz”im Depressionsbericht Österreich mit.
Ist Mental Health immer noch ein Tabu?
Forscherin und Ex-Politikerin Sophie Karmasin meint: "Psychische Krankheiten sind immer noch ein Tabuthema. Nicht einmal drei Viertel der Befragten würden den engsten Vertrauten von ihrer psychischen Krankheit erzählen [...] 63 Prozent würden der Familie oder Freundinnen und Freunden von einer psychischen Erkrankung erzählen, aber nur 21 Prozent würden es im beruflichen Umfeld thematisieren."
Das Portal für psychische Gesundheit in der Arbeitswelt ( "PsyGA"), das vom deutschen Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert wird, hat zu dem Thema ein Interview mit Prof. Dr. Georg Schumens geführt.
Dieser meinte, dass man nicht generell sagen kann, dass es noch tabuisiert wird über die psychische Gesundheit zu sprechen. Das würde sowohl vom Thema als auch vom Ort des Gesprächs abhängen. Zum Beispiel kann man leichter im Freundeskreis als auf der Arbeit über psychische Erkrankungen sprechen. Während die Gesellschaft immer offener dafür wird Depressionen zu thematisieren, werden psychische Störungen wie Schizophrenie immer stärker stigmatisiert.
Warum ist es wichtig, dass über mentale Gesundheit gesprochen wird?
Der wichtigste Grund ist: Wenn Mental Health weiterhin ein Tabu bleibt und totgeschwiegen wird, ist das vor allem ein Problem für Betroffene. Zu den schwerwiegendsten Folgen zählen laut Prof. Dr. Schumens, dem Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, "verstärkte Symptomlast bis hin zu vermehrter Suizidalität. Aber auch die Inanspruchnahme von Hilfe wird erschwert, weil nicht über das Problem gesprochen werden kann." Zudem führt ein solches Tabu bei den Betroffenen zu "negative[n] Erfahrungen bei den Reaktionen ihres Umfelds" und verhindert somit positive Reaktionen.
Des Weiteren hat dieses Tabu folgende Auswirkungen: "Auf Seiten der Betroffenen: Angst vor Stigmatisierung, Sorge vor Überforderung, Geheimhaltung und damit keine Möglichkeit, Arbeitsbelastungen anzupassen oder Unterstützung am Arbeitsplatz zu erhalten. Und auf Seiten der Kolleg*innen und Vorgesetzten: Unsicherheit, Misstrauen, Fantasien und Gerüchte, und Hilflosigkeit, weil man nicht konkret auf eine Situation reagieren kann."
Wenn das Tabu um das psychische Wohlergehen nicht mehr bestehen würde, würden diese Probleme also, idealerweise, nicht mehr existieren. Das führt natürlich nicht dazu, dass die pychischen Krankheiten einfach verschwinden, aber, dass eher Hilfe in Anspruch genommen wird und ein Austausch passiert.
Positive Auswirkungen von Offenheit über mentale Gesundheit
Wie bei so vielen Dingen ist offene Kommunikation unglaublich wichtig. Das geht aber natürlich nur, wenn der Weg dafür von der Gesellschaft geebnet wird. Deshalb ist es auch ein gutes Zeichen, dass die Politik eine Notwendigkeit darin sieht, dieses Thema in Angriff zu nehmen. Das sieht man zum Beispiel daran, dass das österreichische Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Nationale Strategie zur psychischen Gesundheit gestartet hat. Diese stellt eine von zehn sogenannten Gesundheitszielen Österreichs dar.
Im "Depressionsbericht Österreich" von 2019 sagt die damalige Gesundheitsministerin, Beate Hartinger-Klein, dass die Entstigmatisierung von mentaler Gesundheit in der Gesellschaft "höchste Priorität" für sie habe.
Eigentlich ist es doch logisch: Wenn man sich untereinander zu psychischen Krankheiten austauscht, fühlt man sich weniger alleine mit dem Thema und verstanden. Wenn jede/r Mental Health so behandeln würde, als gäbe es kein Tabu darüber, würde dieses auch immer weniger als solches betrachtet werden.
Dadurch trauen sich weitere Personen darüber zu sprechen und sich Hilfe zu holen. Somit könnte also ein positiver Kreislauf der Offenheit über mentale Gesundheit entstehen, was zu einer Destigmatisierung und Enttabuisierung führen würde. Also lasst uns offen miteinander sein und Scham über psychische Erkrankungen ablegen!
Wenn du eine Therapie in Anspruch nehmen willst:
Unkompliziert zur telefonischen Erstberatung: Es gibt eine psychotherapeutische Erstberatungs- und Info-Hotline. Sie ist ein kostenfreies, vertrauliches, professionelles und anonymes Angebot.
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Die ÖH hat eine Kampagne für mentale Gesundheit von Studierenden gestartet. Mehr zu #talkaboutit findet ihr hier.
Wer Selbstmordgedanken hat oder an Depressionen leidet, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits ein einzelnes Gespräch. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich rund um die Uhr kostenlos unter der Rufnummer 142 an die Telefonseelsorge wenden. Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt ÄrztInnen, Beratungsstellen oder Kliniken. www.suizid-praevention.gv.at
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