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Frauenfeindlichkeit im Abo: Warum lesen wir Magazine wie inTouch?

97 Prozent der LeserInnen sind weiblich und erfreuen sich wöchentlich an frauenverachtendem Gossip. Warum ist das so?
Verena Bogner

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Kilo-Frust, Cellulite-Alarm, Mager-Schock! Diese Ausrufe des Grauens stammen geradewegs aus der Hölle – oder, um es anders zu sagen: Vom Cover der inTouch. Die Wochenzeitschrift, die sich selbst als “DAS Orientierungsmedium für junge Frauen in den Bereichen Stars, Fashion, Beauty und Lifestyle“ sieht, lebt von frauenverachtendem Gossip. Fragwürdiger Journalismus ist hier Voraussetzung, blumig verpackte Beleidigungen und völlig haltlose Spekulationen sind so ziemlich das einzige, aus dem die Artikel gemacht werden.

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In der inTouch wechseln sich Berichte über prominente Frauen, die angeblich drei Kilo zugenommen haben sollen, mit solchen ab, in denen über den besorgniserregenden Gewichtsverlust einer anderen gesprochen wird, nur um drei Seiten später eine Werbung für einen Protein-Shake neben einer Seite mit den kränksten Diät-Tipps der Stars zu platzieren. Auch Frauen, die muskulös sind und viel Sport machen, werden in der inTouch natürlich dafür kritisiert.

Wagt eine Schauspielerin es etwa, ungeschminkt, im legeren Look oder gar in Jogginghose das Haus zu verlassen, kann sie sich sicher sein, dass die inTouch auf Basis von “Insider-Infos” die ultimative Geschichte über ihren angeblichen Ruin bringt. Und tatsächliche, persönliche Dramen werden schamlos ausgeschlachtet.

Legt sich auf dem Hintern einer Kardashian-Schwester im Bikini auch nur eine Delle, wird das zum Anlass genommen, eine mehrseitige Geschichte über die hässlichsten Promi-Ärsche zu basteln. Und taucht ein Bild eines Promi-Paares auf, auf dem die beiden vielleicht nicht gerade aussehen wie zwei Honigkuchenpferde am schönsten Tag ihres Lebens, wird über eine Trennung spekuliert – und darüber, welche Schuld die Frau wohl bei der ganzen Sache trifft.

Frauen werden nicht nur aus dem Nichts geshamet, sondern auch direkt miteinander verglichen, um die styletechnischen Unzulänglichkeiten noch deutlicher zu machen. Dem Ganzen wird sogar eine eigene Rubrik gewidmet: Tragen zwei Frauen zufällig die selbe Handtasche, wird willkürlich entschieden, bei wem das Ganze nun besser aussieht.

Eine besondere Glanzstunde der Rubrik “Wem steht’s besser?”: Ein Style-Vergleich zweier T-Shirts zur “Time’s Up”-Initiative, einmal getragen von Scarlett Johansson, einmal von Olivia Munn, die das Shirt mit “heißen Overknees” kombiniert. Dass es bei Outfits wie diesem darum geht, ein Zeichen zu setzen, und es mehr als schäbig ist, eben das zu nutzen, um zwei Frauen gegeneinander auszuspielen und sie auf ihr Äußeres zu reduzieren, scheint den zuständigen RedakteurInnen wohl entgangen zu sein.

Nach all diesen haarsträubenden Beispielen kann man zusammenfassend sagen: Die inTouch shamet Frauen dafür, dass sie es überhaupt wagen, zu existieren. Und das Schlimme daran ist, es kommt an – vor allem bei Frauen. Laut eigenen Angaben zählt die inTouch eine Auflage von über 141.000 Exemplaren wöchentlich und 97 Prozent der LeserInnen sind weiblich. Nun stellt sich die Frage, warum sich so viele Frauen offensichtlich frauenfeindliche Inhalte aus dem “male gaze”, also einer männlichen, heterosexuellen Perspektive, die Frauen als Objekte darstellt, antun, nein, sich sogar davon unterhalten fühlen. Warum sie Medien, Plattformen und ein System unterstützen, die so gar nichts mit Body Positivity, #metoo und Empowerment zu tun haben.

Laut der inTouch und ihrer Chefredakteurin Angela Meier-Jakobsen lautet das Geheimrezept wie folgt, wie auf der eigenen Webseite erklärt wird: “inTouch ist wie die coole Freundin, die sich jeder wünscht. Sie kennt die angesagtesten Leute und alle ihre (dunklen) Geheimnisse, sie weiß immer, worüber alle reden und scheut sich nicht, auch mal die unangenehme Wahrheit auszusprechen. Sie liebt und lebt den Lifestyle der Stars. Bei Themen rund um die neuesten Fashion-Trends und Beauty-Highlights macht ihr niemand etwas vor. Stunden mit ihr sind lustig, unterhaltsam und inspirierend.”

Stevie Schmiedel, Genderforscherin und Geschäftsführerin von der Organisation Pinkstinks, die sich mit Sexismus und Homophobie in Werbung und Medien beschäftigt, sieht den Grund für den Erfolg von Magazinen wie inTouch ein wenig anders. Im Gespräch mit k.at erklärt sie: “Frauen werden in unserer Gesellschaft mit einer großen Portion Selbsthass erzogen. Wir sollen süß und niedlich sein, sollen anderen Freude bereiten. Wir werden in einer Kultur groß, in der das Aussehen alles ist und wir danach bewertet werden.”

Da sei es für viele natürlich eine willkommene Ablenkung vom Alltag, den antrainierten Selbsthass nach außen zu wenden und sich zu freuen, wenn Heidi Klum ungeschminkt und unvorteilhaft abgelichtet wurde. “Dass die inTouch so gut funktioniert, liegt an der unkritischen Haltung, die wir haben, nämlich, dass es normal ist, Mädchen als Dekoobjekte zu erziehen.”

Schmiedel macht auch deutlich, dass die Verantwortung, das zu ändern, nicht bei den Frauen liegen sollte. “Ich finde es ganz schwierig, dass in vielen Ratgebern vorkommt, Frauen sollen andere Frauen nicht shamen, dass wir dafür verantwortlich sind, solche Sachen nicht zu konsumieren. Gerade für Frauen, die sich mit solchen Mechanismen nicht beschäftigen, finde ich das übergriffig. Im Idealfall sollte es so sein, dass die Wirtschaft dazu beiträgt und keine Frauen mehr dazu ausbildet, diesen Hass weiterzutragen.”

Das ist natürlich ein frommer Wunsch, für dessen Erfüllung es noch viele wütende Frauen, KritikerInnen und MedienmacherInnen brauchen wird, die sich den Mustern, die Magazine wie inTouch bedienen, entziehen, sich aktiv dagegen entscheiden. Nur dann können Titelstorys wie "Kilo-Wahnsinn!" und "Mager-Schock!" von Schlagzeilen wie "Sexisten-Skandal!" und "Empowerment-Sensation!" ersetzt werden.