Zu Allerheiligen ans Grab? Unsere Meinung zu Stress am Friedhof

Ein Friedhof liegt im Nebel
Am 1. November auf den Friedhof? Weshalb ein anderer Tag vielleicht besser wäre für einen besinnlichen Besuch.

Es könnte so besinnlich sein: Kerzenschein, Stille, vielleicht auch der Geruch von Weihrauch. Die Realität eines Besuchs des familiären Grabes an Allerheiligen sieht jedoch meist anders aus. Man sieht die Grabsteine vor lauter Leuten nicht mehr. Langsam schieben sich Kolonnen an dunklen Mänteln zwischen Steinen, Schotter und Bäumen hindurch, immer auf der Suche nach ihren Hinterbliebenen.

Vielleicht treibt sie heute der Anstand oder auch Schuldgefühl auf den Friedhof – ein kollektives "heute ist ein Grabbesuch Pflicht". Und seien wir uns ehrlich, viele Besucher:innen wandeln nach einer durchzechten Halloween-Nacht sowieso nur gruselig durch den Nebel. Wer hat's selbst schon erlebt?

Feiertag im katholischen Glauben

Am 1. November begehen katholisch geprägte Länder das Fest Allerheiligen, am Folgetag dann Allerseelen. Während an ersterem laut "Vivat" eigentlich das Hochfest der Märtyrer:innen gefeiert wird, gedenkt man am 2. November den verstorbenen gläubigen Seelen. Dass zu Allerheiligen also die Friedhofstore eingerannt werden, hat wohl eher damit zu tun, dass die Menschen am Feiertag mehr Zeit für einen Friedhofsbesuch inklusive Messe haben als an einem regulären Arbeitstag.

Friedhöfe sind eigentlich Orte der Ruhe und Trauer, weshalb durchaus eine gewisse Etikette angebracht ist. Wie die "Augsburger Allgemeine" zusammenfasst, sollte man zum Beispiel auf die Kleiderwahl achten (lieber bedeckter als zu freizügig, was für beide Geschlechter gilt). Und natürlich sollte man auch die Lautstärke von Gesprächen minimieren, nicht rennen oder gar singen. Kurz: Die Würde des Ortes sollte nicht verletzt, andere Besucher:innen nicht gestört werden. Welche einfachen, aber doch so essentiellen Benimmregeln darunter fallen, wird man wohl schnell erfassen können, wenn man sich kurz besinnt und einfach etwas nachdenkt. TikTok-Videos und übermäßige Dokumentation des Besuchs via Handy gehören übrigens nicht dazu.

Besinnliche Stimmung am Grab: Not!

Und genau darum geht es doch: Besinnung. Das Nachdenken über das Leben und den Tod, die Erinnerung an Verstorbene, Raum für Trauer und Tränen schaffen. Inwiefern das zu Massenaufläufen an Allerheiligen gegeben ist, darf man bezweifeln. Schließlich sind diese Momente oft höchstpersönlich und es fällt sicherlich nicht jeder Person leicht, sich auch auf potenziell negative Emotionen und Trauer einzulassen. Es ist eben ein Moment, in dem man lieber ungestört wäre. Und das sollte respektiert werden.

Obwohl Allerheiligen ein schöner Brauch und eine Möglichkeit für eine Familienzusammenkunft sein kann, sollte man sich zudem nicht genötigt fühlen, genau an diesem Tag ein Grab aufzusuchen. Wahrscheinlich hat man selbst mehr davon, dies an einem anderen Tag zu tun. Vielleicht ist der Geburtstag oder der Todestag der Person passender, um sich etwas Zeit für den Besuch zu nehmen. Die Grabpflege will schließlich auch nicht zu kurz kommen – so passt natürlich auch jeder andere Tag, an dem man das Gefühl hat, der verstorbenen Person nahe sein zu wollen.

Persönlicher Brauch

Allerheiligen mit der Familie verbringen zu wollen ist dennoch nie verkehrt – jede Möglichkeit, zusammenzukommen ist schließlich kostbar. Vor allem, wenn wir uns daran erinnern, wie busy unser Alltag nicht ist. Ich persönlich werde aber dieses Jahr gezielt außerhalb von Allerheiligen und Weihnachten an ein Grab fahren. Vielleicht ein neuer, persönlicher Brauch, den ich mir in Zukunft beibehalten werde. Ich habe gehört, der 2. November soll auch ein optimaler Tag sein, um den Verstorbenen zu gedenken.

Kommentare