Hahn: 20 Prozent höheres EU-Budget nach Ukraine-Beitritt

Hahn nimmt sich zum Amtszeitende kein Blatt vor den Mund
Eine Aufnahme der Ukraine in die EU könnte ohne Änderung der Förderregeln nach Einschätzung von EU-Budgetkommissar Johannes Hahn ein um 20 Prozent höheres Budget der Staatengemeinschaft erfordern.

"Klingt gigantisch, aber das entspricht nur 0,2 Prozent der europäischen Wirtschaftsleistung und das ist sicher machbar", sagte Hahn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Mittwoch). Die finanzielle Seite des Beitritts bereite ihm das geringste Kopfzerbrechen, fügte er hinzu. "Es geht um ein lohnendes Investment, denn die Ukraine hat wirtschaftlich enormes Potenzial", sagte der ÖVP-Politiker. Der EU-Gemeinschaftsetat umfasst von 2021 bis 2027 rund 1,1 Billionen Euro. Eine Steigerung würde nach heutigem Stand rund 200 Milliarden mehr bedeuten.

Das größere Problem sieht Hahn allerdings bei der Vorbereitung in der Staatengemeinschaft. Er zählte auf: "Wie treffen wir Entscheidungen, wie sichern wir Rechtsstaatlichkeit? Wie bringen wir den großen Agrarsektor der Ukraine mit unserer Landwirtschaft zusammen?" Unabhängig von einem EU-Beitritt der Ukraine und Länder des Westbalkan seien in der EU institutionelle Reformen nötig, so Hahn weiter. Er plädierte etwa für Mehrheitsentscheidungen statt Einstimmigkeit in der Außenpolitik.

Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine 

Anfang November hatte die EU-Kommission die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine empfohlen. Bei einem Gipfeltreffen Mitte Dezember hatten sich die EU-Staats- und Regierungschefs auf die Aufnahme von Beitrittsgesprächen verständigt. Diese dürften viele Jahre dauern. Zu den Skeptikern eines raschen EU-Beitritts der Ukraine wird auch Österreich gezählt, das stattdessen auf eine raschere Annäherung der Westbalkan-Staaten drängt.

Der frühere EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler hatte jüngst in einem APA-Interview eindringlich vor einem EU-Beitritt der Ukraine ohne Reform der EU-Agrarpolitik gewarnt. "Wenn das nicht passiert, dann ist das eine Katastrophe", sagte er. Fischler verwies auf Berechnungen, dass man in diesem Fall das EU-Agrarbudget verdoppeln müsste. Auch bräuchte es wegen der großen Preisdifferenzen in einigen Bereichen - wie etwa Getreide - lange Übergangsfristen.

Experten des Instituts der deutschen Wirtschaft schätzten die finanziellen Folgen einer Vollmitgliedschaft der Ukraine in der Staatengemeinschaft auf das derzeitige mehrjährige Budget der EU in einem Ende vergangenen Jahres veröffentlichten Bericht auf rund 130 bis 190 Milliarden Euro. Die genaue Summe hänge davon ab, welche Annahmen über die Ackerlandfläche und die Bevölkerungszahl für die Ukraine getroffen würden.

Auch die Brüsseler Denkfabrik Bruegel kam in einer im März veröffentlichten Analyse zu dem Schluss, dass die Aufnahme der Ukraine bei derzeitigen Förderregeln erhebliche finanzielle Konsequenzen für die bisherigen Mitgliedsstaaten haben würde. Die Gesamtkosten einer Integration der Ukraine hätten sich in der laufenden Budgetperiode von 2021 bis 2027 Beispielrechnungen zufolge auf rund 136 Milliarden Euro belaufen.

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