Ode an die "Good Boys": Hilfe, bin ich etwa eine "Mommy" im Bett?!

Titelbild von dem Format Ungeniert zeigt violett-weißes Design mit orangen Punkten sowie einem Herz in der Mitte, das eine Grapefruithälft enthält
ungeniert
Beim Sex den dominanten Part zu übernehmen, war für mich immer unvorstellbar. Bis ich A. kennenlernte und er meine "Mommy"-Energy triggerte.

Um das Thema Sex und Lust zu enttabuisieren, haben wir das neue Format "ungeniert – Lippenbekenntnisse der Redaktion" ins Leben gerufen. Dieses soll einen informativen 'Safe Space' zur Aufklärung bieten. Es erscheint zweimal monatlich auf k.at.

"Du bist so eine 'MILF'", lese ich auf meinem Handy-Bildschirm als eine Nachricht von einer Dating-App reinflattert. Eine Aussage, die mittlerweile nicht mehr ungewöhnlich für mich ist. Die Abkürzung 'MILF' bedeutet "Mom I'd like to fuck" – zu Deutsch: "[Eine] Mutter, die ich gerne f***en würde". 

Der Haken an der ganzen Sache? Ich habe keine Kinder und war bisher auch nie Mutter– und das sage ich auch immer wieder meinen Matches. Wieso zur Hölle nennen sie mich dann so? Bin ich etwa eine Mommy? 

Wichtig: Wie bei allen sexuellen Handlungen ist vor allem Konsens wichtig! Nur mit Einverständnis aller PartnerInnen kann der Geschlechtsverkehr auch wirklich Spaß machen. Vergesst zudem nicht auf Verhütung und habt immer ein Kondom parat. 

Vom "Mom-Friend" zur "Mommy" im Bett

Wenn ich bei meinen Matches oder Dates nachfrage, wieso sie mir diese Rolle als MILF zuschreiben, obwohl ich kinderlos bin, kommt meist dieselbe Aussage: "Du hast eben diese Ausstrahlung, fürsorglich, zuverlässig, liebevoll – wie eine Mama eben." Zugegeben, das ist nicht unbedingt, was ich von meinen potenziellen Partnern hören will, doch gleichzeitig kann ich es nicht ganz abstreiten.

Ich weiß, dass ich ein absoluter "Mom-Friend" bin: Das bedeutet, dass ich diejenige in meiner Freund:innengruppe bin, die bei Problemen um Rat gefragt wird, ihre Liebsten gerne bekocht, immer zum Trösten da ist und ihre Freund:innen regelmäßig daran erinnert, sich kurz zu melden, wenn sie spätnachts nach dem Treffen zu Hause angekommen sind. Ich liebe es, mich um meine Liebsten zu kümmern und deswegen höre ich dadurch auch nicht selten ein sarkastisches: "Danke Mama!" 

Seitdem ich immer mehr mit Vollgas auf den berüchtigten Dreißiger zurase, schwappt das auch in mein Liebesleben über. Immer mehr Männer sehen mich als heiße "Mommy", die fürsorglich sowie liebevoll ist, aber im Bett zur sexy Versuchung wird, die am nächsten Morgen Frühstück macht, wenn man sexuell zumindest ein "Befriedigend" erreicht hat. 

Ist doch voll okay, oder? Mich irritiert es jedoch häufig, dass diese Eigenschaften sofort mit Mutterschaft assoziiert werden, denn eigentlich sehe ich meine Dates nicht als Kleinkinder, die ich versorgen muss – das wäre auch ziemlich gruselig, um ehrlich zu sein.

Was ist ein "Mommy-Kink"?

  • Wie "Urban Dictionary" erklärt, handelt es sich beim "Mommy-Kink" vor allem um die sexuelle oder romantische Anziehung zu Frauen, die sich um einen kümmern, dich beschützen oder sogar "bedingungslos lieben". 
  • In Pornos erlebt der Kink schon lange ein Hype: Es handelt sich dabei meist um Darstellerinnen (vorzugsweise Stiefmütter oder Nachbarinnen), die 40+ sind und vor allem Typen Anfang 20 "verführen" und ihnen zeigen sollen, wie Sex "wirklich funktioniert" – ein perfektes Pendant zum "Daddy"-Kink eben.  

Obwohl ich mich eher in der "Daddy"-Fraktion wiederfinde und eher auf dominante Männer stehe (egal, ob sie älter oder jünger sind), ist es mir vor Kurzem tatsächlich passiert, dass ich im Bett die Oberhand hatte. Aus dem "Good Girl" wurde eine "Bad Mommy" – eine Transformation, die mich wie ein Phönix aus der Asche auferstehen ließ.

"Willst du Mommy stolz machen?"

Als ich zuletzt auf einer Dating-App gescrollt und gematcht hab, fiel mir A. ins Auge. Er war süß, groß und hatte diesen Surferboy-Look, eben fresh out of Florida – zudem war er knapp fünf Jahre jünger als ich. Ich habe schon immer gern jüngere Männer gedatet, aber unter 24 ist für mich ein absolutes No-Go. A. hatte also Glück und passte in das Beuteschema. Nach ein paar Flirtereien hatte ich einen Witz gerissen, dass "Mommy [aka ich] ihn auf ein Dinner ausführen wird", wenn er bei unserem ersten Treffen brav ist. Für den Surferboy war das ein gefundenes Fressen, denn er stieg auf die ganze Masche richtig ein.

Es ging sogar so weit, dass er mich bei unserem Date tatsächlich "Mommy" nannte, was mich komischerweise doch so scharf machte, dass wir im Bett landeten. Er machte mir beim Vorspiel regelmäßig Komplimente und wiederholte mehrmals, wie sehr er meine "big boobs" schätzen würde. Nachdem ich ihm gesagt hatte, dass ich mich jetzt "um ihn kümmern werde", sah er mich hoffnungsvoll an: "Okay, Mommy", bekam ich als Antwort. Ich hatte eine Aufgabe zu erfüllen.

Die Geburtsstunde einer neuen Ära

Bisher war ich immer diejenige, die im Bett devot war. Wenn mein Partner darauf stand, fand ich es immer heiß, ihn "Daddy" zu nennen und belohnt zu werden, wenn ich in seinen Augen ein "braves Mädchen" war, dass mit Orgasmen belohnt wird. Mit A. war es anders, ich sollte bestimmen, ob er mich anfassen – und vor allem mich penetrieren darf. Zum ersten Mal spürte ich diese Autorität, die ich vorher nur als passive Zuschauerin kannte: Die Macht über die sexuelle Lust meines Partners, der erst dann randarf, wenn ich explizit das Go gebe, auch wenn er es kaum noch erwarten kann.

In meiner "Mommy"-Rolle war ich plötzlich diese Respektsperson, für die A. sein Bestes geben wollte, und obwohl ich anfangs etwas irritiert war, ging ich nach einiger Zeit in diesem Setting vollkommen auf. "Are you gonna be my 'Good Boy'?" ("Wirst du mein 'braver Junge' sein?"), fragte ich A., der seine Aufregung kaum zurückhalten konnte, während ich ihn mit einer Hand würgte. Je mehr Zeit verging, desto intensiver wurde der Dirty Talk, bis ich ihn dann tatsächlich fragte, ob er seine "Mommy" stolz machen möchte. Die Intensität und Leidenschaft, die ich nach diesen Worten beim Akt spürte, machte mir eines klar – ich wollte mehr.

Der Sex war überraschenderweise unglaublich gut, A. und ich konnten uns in unserer Lust absolut fallen lassen und er zeigte mir, dass es auch für mich unglaublich sexy sein kann, die Oberhand im Bett zu haben. Als ich kurz vor meinem Orgasmus war, konnte ich mich kaum zurückhalten: "Please don't stop, be a Good Boy for Mommy, make your Mommy come" ("Bitte hör nicht auf, sei ein 'braver Junge' für Mommy, bring deine Mommy zum Kommen"), hauchte ich ihm ins Ohr.

Mein Florida-Boy war so angeturnt von meinen Worten, dass er gleichzeitig mit mir den Höhepunkt erreichte. Ein Spektakel, was ich bisher eher selten erlebt hatte. Nachdem A. meine Wohnung verließ und in sein Hotel zurückfuhr – natürlich hatte ich ihn gebeten sich zu melden, wenn dort angekommen ist – bekam ich noch eine letzte Nachricht von ihm: "Danke für diese tolle Nacht, Mommy."

Für mich und meine Sexualität war diese eine Nacht eine prägende Erfahrung. Ich hatte noch Tage später daran zurückgedacht und war mir sicher: "Good Boys" haben einen besonderen Platz in meinem Herzen.

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