Photo by Reproductive Health Supplies Coalition

Rückruf abgebrochener Goldspiralen: Betroffene berichtet über Abtreibung

Nach dem Rückruf gebrochener Goldspiralen berichten Frauen über negative Erfahrungen. Nun gibt es eine Petition, um ihnen zu helfen.
Sabrina Kraussler

Triggerwarnung: Im folgenden Beitrag wird über schmerzhafte und traumatische Erlebnisse von Frauen, sowie ungewollte Schwangerschaften und Abtreibungen aufgrund einer defekten Verhütungsspirale berichtet. 

Immer mehr Frauen berichten über abgebrochene Goldspiralen der Firma Eurogine und die erheblichen körperlichen und psychischen Schäden, die dadurch entstanden sind. Der Bruch der Seitenärmchen passiert nämlich unbemerkt

Die Spirale schützt dann nicht mehr ausreichend vor ungewollten Schwangerschaften. Gehen die gebrochenen Seitenärmchen nicht mit der natürlichen Blutung ab, muss ein operativer Eingriff unter Vollnarkose unternommen werden. Die Entscheidung über das weitere Vorgehen bei einer gebrochenen Spirale ist individuell und sollte gemeinsam mit der Gynäkologin oder dem Gynäkologen getroffen werden.

 

 

Rückruf gebrochener Goldspiralen

Im September letzten Jahres hatte das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen vor Produktfehlern bei der Goldspirale der spanischen Firma Eurogine der Chargen zwischen 2014 und 2017 gewarnt. 

Im Oktober ging eine Information an GynäkologInnen, in der darauf hingewiesen wurde, dass die Goldspiralen brechen könnten.

Das Problem: Nicht alle Frauen wurden darüber informiert. Betroffene sollten sich so schnell wie möglich an ihre Ärztin oder ihren Arzt wenden, um sicherzustellen, dass die Goldspirale noch intakt ist.

Abgebrochene Goldspiralen: Über 800 betroffene Frauen aus Österreich

Da der Rückruf nicht bei allen Frauen angekommen ist, sind bereits erhebliche Schäden entstanden: Rund 800 betroffene Frauen meldeten sich und berichteten von der defekten Goldspirale, so der Verbraucherschutzverein auf Anfrage. Viele Frauen, die nicht rechtsschutzversichert sind, wandten sich an den VSV, der nun eine Sammelklage gegen Eurogine einreicht. Dafür braucht dieser aber noch Unterstützung mittels Unterschriften einer Petition (dazu weiter unten).

Das erklärte Ziel: "Die Firma Eurogine dazu zu bewegen, letztlich mit allen Frauen, die der VSV vertritt, einen außergerichtlichen Vergleich zu schließen", heißt es auf der Website des Verbraucherschutzvereines. Die Frauen hätten bei "Schäden am Körper" Anspruch auf Schadensersatz. Der VSV rät allen Betroffenen, sich zu melden (hier geht's zum Link).

 

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Defekte Goldspirale: Warum wurden Frauen nicht informiert?

GynäkologInnen wurden im Oktober 2020 vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen über den Produktfehler informiert.

Die Empfehlung lautete, die Trägerinnen betroffener Spiralen zu informieren beziehungsweise aktiv zur Kontrolle und Besprechung der individuell besten medizinischen Entscheidung einzuladen, so der Gynäkologe Dr. Andreas Bachmann.

Mit der Bruchrate hätte man untertrieben: "Die Bruchrate liegt laut meinen Beobachtungen nicht unter einem Prozent, wie Eurogine behauptet, sondern ist weitaus höher – bei meinen Patientinnen liegt sie mittlerweile bei über 60 Prozent." 

Schon vor dem Rückruf habe er PatientInnen mit einer gebrochenen Goldspirale gehabt. 

Er habe die Liste aller Frauen an das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen geschickt und alle Betroffenen kontaktiert. Ob seine KollegInnen dies ebenfalls umgesetzt haben, bleibt fraglich. 

Seit dem Produktfehler hätte sich auch etwas geändert: "Die Chargennummern der Spiralen werden seitdem im Pass, den alle Frauen beim Einsetzen der Spirale bekommen, vermerkt", so Dr. Bachmann. 

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Abgebrochene Goldspirale: Eine Betroffene erzählt

Johanna ließ sich 2016 die entsprechende Goldspirale einsetzen. Ende Mai dieses Jahres bekam sie Zwischenblutungen während der Arbeit. 

"Ich habe mir nichts dabei gedacht", erzählt sie. Zu Hause auf der Toilette bemerkte sie dann plötzlich die abgebrochene Spirale, das aus ihrer Vagina ragte. "Ich dachte mir: 'Was ist das?' Ich war völlig verwirrt und stand unter Schock. Dann bemerkte ich, dass es die Spirale ist. Normalerweise sieht sie aus wie ein T. Ich sah, dass ein Teil fehlte."

Nach dem verstörenden Vorfall ging sie zu einer Gynäkologin. Die Ärztin war nicht jene, die ihr die Spirale eingesetzt hatte. "Die Frauenärztin hat mir bestätigt, dass es sich um die abgebrochene Spirale handelt", so Johanna weiter. "Sie hat gesehen, dass ein Ärmchen wohl schon mit einer Blutung abgegangen ist. Das andere befand sich noch in der Gebärmutter."

"Dann teilte sie mir mit, dass ich in der fünften Woche schwanger bin", so die 28-Jährige. "Das war ein Schlag ins Gesicht." Sie entschied sich für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch, den sie selbst finanzieren musste. Durch eine Zyste am Eierstock bekam sie zunächst keine Blutung.

"Die Abtreibung hat funktioniert. Allerdings kann es bis zu zwei Monate dauern, bis ich eine Blutung bekomme. Dann sollte auch das abgebrochene Ärmchen abgehen", hofft sie. Ansonsten muss ein operativer Eingriff vorgenommen werden. 

 

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Petition des Verbraucherschutzvereines

Der Verbraucherschutzverein vertritt alle betroffenen Frauen und ist eine vom Staat unabhängige Organisation. Um grenzüberschreitende Verbandsklagen führen zu dürfen, ist es in der Regel Voraussetzung, in der Liste der EU aufgenommen zu werden. Um dies zu erreichen, wurde eine Petition ins Leben gerufen. Hier findest du den Link zur Petition. 

Bisher konnte der VSV vier Klagen vor Gericht bringen, so Dr. Peter Kolba vom VSV. "50 Klagen sind derzeit in Vorbereitung."