Interview: Ein leben lang gearbeitet, aber keine Pension?

Die Hände einer alten Frau
Altersarmut ist weiblich. K.at traf eine Frau, die zwar jahrzehntelang gearbeitet hat, aber keine eigene Pension bezieht.

Die Statistik ist vernichtend – dass Frauen Männern finanziell noch nicht gleichgestellt sind, ist eine traurige Wirklichkeit, die uns leider nicht neu ist. Von den bekannten Zahlen der Gender-Pay-Gap also ganz zu schweigen, waren nämlich laut "Statistik Austria" 18 Prozent aller Frauen über 65 Jahre in Österreich armutsgefährdet. Von den Pensionsbeziehenden insgesamt sind alleinlebende Frauen mit 28 Prozent überdurchschnittlich betroffen. 

Die Durchschnitts-Pension lag für Frauen im Jahr 2020 hierzulande bei 1.157 Euro netto, die für Männer im Vergleich bei 1.732 Euro netto. Übrigens wird die Einkommensarmutsgrenze mit netto 1.328 Euro dotiert. Die Pensionslücke gibt es rein rechnerisch (Ausnahmen bestätigen die Regel) also eher bei Frauen.

Während einige Frauen zu wenig Pension erhalten, um über der Armutsgrenze zu leben, gibt es auch Einzelfälle, die ganz ohne eine eigene Pension auskommen müssen. Aber wie kommt es überhaupt so weit und ist die Dunkelziffer vielleicht höher, als man vermuten möchte?

K.at traf Franziska (Anm. red. Name geändert), eine 85-jährige Frau, die zwar ihr Leben lang gearbeitet, jedoch keinen rechtmäßigen Pensionsanspruch hat. Sie erklärte uns im Gespräch, wie es dazu kam, wie sie jetzt mit Geld umgeht und was sie der nächsten Generation an Frauen mitgeben möchte:

K.at: Wie würdest du deine Erwerbstätigkeit beschreiben?

Franziska: Ich habe jahrzehntelang im Familienbetrieb gearbeitet, aber ich wurde nie angemeldet. Zwischendurch habe ich ein Lebensmittelgeschäft gehabt, was auch meinem Vater gehört hat. Der wollte eigentlich nicht, dass ich offiziell arbeite, weil er sonst seinen Alleinverdienerbetrag verloren hätte.

Hast du dich manchmal dagegen aufgelehnt?

Ich hab ab und zu mal was dagegen gesagt, aber das wurde immer im Keim erstickt. Ich hatte um ehrlich zu sein, gar nicht so viel Zeit, um viel über meine Situation nachzudenken, weil ich ja immer arbeiten musste.

Welchen Beruf hättest du gerne ausüben wollen?

Ich hätte so gerne was lernen wollen. Als ich 15 war, meinte unser Steuerberater zu meinem Vater '‚lass sie was lernen, sie ist gscheit‘. Aber nein, er meinte, wir brauchen sie ja zur Arbeit. Ich wär ja eigentlich gerne Floristin geworden, aber das war unmöglich. Mein Vater war da sehr streng.

Als du dann geheiratet hast, hat sich die Situation verändert?

Auch als ich schon verheiratet war, musste ich noch bei meiner Familie arbeiten gehen. Das hat mir alles viele Nerven gekostet. Da habe ich oft um 06:00 Früh zu arbeiten begonnen und bin um Mitternacht nach Hause – ohne Bezahlung. Was mein Mann konsumiert hat im Betrieb, wurde mir ab und zu dann gönnerhaft 'geschenkt' – obwohl ich ja bereits einen unbezahlten 16-Stunden-Dienst hinter mir hatte.

Du hast zwei Kinder großgezogen. Warst du überhaupt in Karenz?

Es war auch gesundheitlich schwierig, weil es wurde so viel geraucht in dieser kleinen Küche und im Betrieb. Ich war schwanger und musste im Qualm arbeiten und dann auf meinen Mann warten, wenn er Schicht hatte. Um ehrlich zu sein, dachte, ich, dass sie mich in Ruhe lassen werden, wenn ich ein Kind bekomme. Aber das ist sich nicht ganz ausgegangen, weil dann hatte ich ein Baby und wurde zusätzlich zur Arbeit gezwungen – das hatte ich mir auch anders vorgestellt (lacht).

Wie ging es dann weiter?

Später, so um die 45 wurde ich eigentlich arbeitsunfähig. Ich hatte so viele Depressionen und habe dann meine damals jugendliche Tochter direkt traktiert, dass sie meine Aufgaben im Familienunternehmen übernimmt, weil ich nicht mehr konnte. Ich hab meinen Sohn oft mitten in der Nacht aufgeweckt und gesagt, er soll seinen Vater aus dem Wirtshaus holen, dass er endlich heimkommt. Das tut mir heute noch leid, aber ich war immer unter Druck. Unterdrückt eigentlich...

Wann hast du endgültig aufgehört zu arbeiten?

Es ist noch dazugekommen, dass meine Mutter einen Schlaganfall hatte und nicht mehr sprechen konnte, und wir haben sie dann abwechselnd gepflegt. Der Betrieb wurde geschlossen, nachdem mein Vater gestorben war. Dann habe ich vom Einkommen und später von der Pension von meinem Mann 'mitgelebt'. Mir hat es schon irgendwie wehgetan, dass ich immer fragen musste, ob ich mir zum Beispiel eine Strumpfhose kaufen darf – oder egal was eigentlich. Mein Mann hat dann immer gefragt, 'geht es dir denn schlecht?', also immer dann, wenn wir wieder eine Ehekrise hatten.

Kannst du mittlerweile über dein eigenes Geld verfügen?

Als ich circa 75 Jahre alt war, ist mein Mann gestorben. Seither beziehe ich Witwenpension. Am Anfang habe ich ungefähr 1.000 Euro bekommen. Ich muss aber im Monat 500 Euro Fixkosten für das Haus zahlen. Also Versicherungen, Strom, Gas und solche Sachen. Für die Medikamente brauche ich auch ziemlich viel Geld. Das war schon knapp. Aber die Pension ist jetzt erhöht worden und ich bekomme auch zusätzlich Pflegegeld. Wenn es geht, gebe ich immer ein bisschen was davon her, das passt (schmunzelt).

Würdest du sagen, die Witwenpension hat dich finanziell befreit?

Ja schon, sagen wir, in dem Sinn, dass ich endlich tun kann, was ich will. 

Dass du dir auch Strumpfhosen kaufen kannst und niemanden danach fragen musst?

Genauso ist es. Seitdem geht es mir viel besser.

Glaubst du, dass viele andere Frauen in einer ähnlichen Situation waren, beziehungsweise es noch sind?

Ja, ganz klar! Einige in meinem Alter jetzt. Das war damals öfter so. Es fallen mir direkt drei Bekannte ein, bei denen das eigentlich ganz genauso abgelaufen ist.

War die wirtschaftliche Situation damals auch daran schuld?

Es ist überhaupt nicht daran gedacht worden, wie es uns in 50 Jahren gehen wird. Während und nach dem Krieg ist es ums Durchkommen gegangen, da hat man nicht langfristig gedacht. Ob ich einmal eine Pension habe, war jedem in meiner Familie egal. Kinder wurden eher als Arbeitskräfte gesehen damals, von der Behandlung von Frauen ganz zu schweigen.

Was würdest du der Generation an Frauen nach dir mitgeben? 

Die Zeiten sind ja jetzt anders, Gott sei Dank. Aber ich kann nur jeder Frau raten, sich finanziell abzusichern, etwas zu lernen und für sich selbst einzustehen. In meinem Fall war das fast unmöglich, wegen dem Druck meiner Familie. Ich hätte eigentlich nur vor ihnen weglaufen können, aber dann hätte ich mein ganzes soziales Umfeld verloren. Es hätte alles ganz anders kommen können, aber ich muss sagen, ich bin jetzt zufrieden und es geht mir gut. Ich hab alles Mögliche überstanden. Ich bin eine starke Frau, wie man so sagt (lacht).

Wie du deine Pensionslücke (hoffentlich) schließen kannst, haben wir mit der Finanzberaterin Dr. Marietta Babos besprochen und an einer persönlichen Finanzberatung teilgenommen. Hier liest du unseren Erfahrungsbericht.

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