"Divine Feminine": Warum dieser TikTok-Trend problematisch ist

Divine Feminine: Warum dieser TikTok-Trend gefährlich ist
Die Absicht hinter diesem Trend ist vielleicht löblich, die Umsetzung befeuert jedoch veraltete Geschlechterstereotype.

Die Konzepte "Divine Feminine" und "Feminine Energy" trenden derzeit auf TikTok und sollen Frauen dazu befähigen, ihre "weibliche Kraft" zu festigen, innere Stärke zu erlangen und mehr Zufriedenheit zu verspüren. Selbsternannte Feminine-Energy-Coaches bieten sogar Seminare an, die zu diesem "göttlichen" Zustand verhelfen sollen. Dazu müssen Interessierte nur weich, anmutig, empfangend und passiv sein. Das klingt eher nach einem Rückschritt in puncto Geschlechterrollen, oder?

Was ist "Feminine Energy?"

Grundsätzlich geht es bei dem spirituellen Konzept nicht darum, dass Frauen per se ausschließlich "weibliche Energie" in sich tragen und Männer nur maskuline. Beide Geschlechter sollen eigentlich sowohl über weibliche als auch über männliche Anteile verfügen – nur in unterschiedlicher Ausprägung. 

Der sogenannten Feminine Energy werden unter anderem folgende Eigenschaften zugeschrieben:

  • Empfangen 
  • Intuition
  • Gefühle
  • Genießen
  • Träumen
  • Hingabe
  • Folgen
  • Kreativität
  • Loslassen
  • Stille
  • Kümmern
  • Zurückhaltung

Die männliche Energie wiederum steht vor allem für:

  • Entscheiden
  • Umsetzen
  • Entscheidungen treffen
  • Führen
  • Analysieren
  • Handeln
  • Geben
  • Versorgen
  • Verstand
  • Macht

Diese überholte Zuschreibung an Eigenschaften erinnert sehr an patriarchale Strukturen und toxische Geschlechterstereotype: Eine strikte Aufteilung in nur zwei "Energien", welche das schlichte System einer binären Geschlechterordnung reproduziert.

Macht zu viel "männliche Energie" Frauen unglücklich?

Der TikTok-Trend "Feminine Divine" besagt, dass beispielsweise fehlende Motivation, reduzierte Libido, ja selbst Haarausfall und Hautprobleme ein Anzeichen dafür sein können, dass Frauen nicht ihre weibliche, "göttlichen" Kraft geweckt haben, sondern die beiden Energien ins "Ungleichgewicht" gekommen sind.

Deswegen wird von selbsternannten Expert:innen geraten, sich darin zu üben, in die weibliche Kraft zurückzufinden. Die Wurzel allen Übels soll laut der "Feminine Divine"-Theorie nämlich ein Überschuss des maskulinen Anteils sein. Und das würde das weibliche Geschlecht unglücklich machen und aus ihrer Mitte bringen. Alles klar, oder? ...

Eine Balance der Energien würde man, so die fragwürdige Theorie weiters, beispielsweise durch Selbstfürsorge und den Fokus auf das Innere, aber auch durch Tanzeinlagen, Spaziergänge in der Natur, sexy Kleidung (!), Kochen und Backen finden oder indem man sich lange im Spiegel betrachtet, bis man sein "wahres Ich" sieht.

Kritik am "Feminine Divine"-Trend

Der Ansatz für mehr Selbstfürsorge mag vielleicht lobenswert sein, jedoch sollte sich so ein Appell an alle Menschen richten, nicht nur an weibliche. Hinzu kommt, dass an diesem Ansatz ein Rattenschwanz an vermeintlich weiblichen Zuschreibungen dranhängt, der patriarchale Strukturen füttert, binäre Geschlechterzuordnung reproduziert und sich nicht für Gleichberechtigung ausspricht.

Die US-amerikanische Beziehungsexpertin und Autorin E.B. Johnson etwa merkt in einem TikTok-Video kritisch an: "Die meisten 'Feminine Divine'-Schöpferinnen auf dieser Plattform verkaufen dir nur den gleichen 'Frauen sollten weich und lieb sein'-Mist, der als Pseudo-Spiritualismus neu verpackt wird." Weiters appelliert sie: "Ich bitte Frauen, dieses Narrativ zu verändern. Nehmt eure 'männliche Energie' an und versucht, euch in ihr wohlzufühlen. Sie ist ein Teil von euch, und sie jemand anderem zu überlassen, bedeutet, dass eure persönliche Autonomie und göttliche Macht genommen wird."

Wie auch immer man die eigene innere Resilienz definieren möchte: Da die kritisierten Hintergründe des fragwürdigen TikTok-Phänomens auf den ersten Blick nicht klar erkennbar sind, sollten derartige Trends stets differenziert betrachtet werden.

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