Dysmorphophobie: vom Spiegelbild besessen, von Zweifeln zerfressen

In einer Scherbe eines Spiegels spiegelt sich das Auge einer Frau
Betroffene nehmen ihr Äußeres verzerrt wahr. Das kann zu erheblichen Einschränkungen im Alltag und Privatleben führen.

Die Haare zu dünn, der Höcker auf der Nase zu groß, die Zähne zu gelb und die unreine Haut setzt der optischen Misere noch die Krone auf. So könnte die Lebensrealität von Menschen aussehen, die an einer körperdysmorphen Störung, auch Dysmorphophobie genannt, leiden. 

Was ist Dysmorphophobie?

Laut der medizinischen Informationsquelle "MSD Manual" liegt eine körperdysmorphe Störung, auch Dysmorphophobie, Körperschemastörung oder Entstellungssyndrom genannt, vor, "wenn die übermäßige Konzentration auf einen oder mehrere eingebildete oder leichte Defekte im Erscheinungsbild einen erheblichen Leidensdruck verursacht oder die Arbeits- und/oder Lebensweise beeinträchtigt." Es handelt sich um eine psychische Erkrankung, die mit ständigen Gedanken über vermeintliche Schönheitsfehler einhergeht. Jene Makel sind entweder minimal ausgeprägt oder gar nicht vorhanden Betroffene nehmen ihr äußeres Erscheinungsbild jedoch verzerrt wahr. Beispielsweise wird eine gerade Nase oder ein minimaler Höcker als besonders krumm wahrgenommen.

Die am häufigsten benannten "Problemzonen" sind Haut, Nase, Kopfform, Zähne, Haare sowie die Körperform.

An welchen Anzeichen erkennt man Dysmorphophobie?

Zu den Symptomen einer körperdysmorphen Störung zählen laut "AOK" und "Schön Klinik":

  • Ständiges Grübeln über vermeintliche Makel
  • Versuch, angebliche Fehler am Körper stets zu verstecken oder zu beseitigen
  • Gefühl vom Scham oder Ekel gegenüber dem Körper 
  • Häufiges Vergleichen mit dem Aussehen anderer Personen
  • Intensive Pflege des Äußeren (wie häufiges Waschen, Kämmen, Schminken)
  • Exzessives Betrachten des Aussehens in Spiegeln oder spiegelnde Oberflächen 
  • Aber auch das Vermeiden vom Blick in den Spiegel oder fotografiert zu werden
  • Das Gefühl, von anderen Leuten angestarrt zu werden 
  • Aussehen wird häufig verändert (neue Frisur, anderer Kleidungsstil zum Beispiel)
  • Negatives Selbstbild
  • Exzessiver Sport
  • Häufig Selfies machen, um das Aussehen zu checken
  • Gedanken über Verbesserung/Verschönerung des Aussehens
  • Starker Drang, sich zu bräunen
  • Die Einbildung, einen unangenehmen Körpergeruch abzusondern
  • Hautmanipulationen (sog. "Skin Picking", bei dem an der Haut herumgedrückt oder gezupft wird)

Gefahren einer körperdysmorphen Störung

Eine körperdysmorphe Störung sollte man auf keinen Fall auf die leichte Schulter nehmen, denn sie geht oft einher mit Depressionen sowie einer Angst- oder Zwangsstörung. Besonders tragisch: Rund 80 Prozent der Betroffenen haben im Laufe ihres Lebens Selbstmordgedanken. Außerdem ziehen sich Personen mit Dysmorphophobie nicht selten aus der Öffentlichkeit zurück, sodass ein normales, unbeschwertes Leben kaum möglich erscheint. Der massive psychische Druck kann infolgedessen zu erheblichen negativen Auswirkungen auf die Lebensqualität führen. 

Die Ursachen der Störung können genetische, neurobiologische oder psychologische Gründe haben. Laut "Focus" können auch Traumata sowie kulturelle Einflüsse und soziale Normen in Hinblick auf Schönheitsideale eine Rolle spielen. Problematisch ist auch der fließende Übergang von harmloseren Komplexen und gelegentlicher Unzufriedenheit mit dem Äußeren hin zur Körperschemastörung.

Dr. Afschin Fatemi ist Facharzt für Dermatologie und warnt in einem "Focus"-Beitrag, Schönheitseingriffe als "Lösung" für die Unzufriedenheit anzusehen. Sie würden oft nicht den "erhofften Frieden" bringen und nach dem Eingriff finden Betroffene rasch neue "Problemzonen", die behoben werden sollen. 

Dysmorphophobie zeigt, welch fatale Folgen Schönheitsstandards haben können. Was daraus resultiert, sind nicht selten Selbstzweifel und Unsicherheiten in Hinblick auf das Äußere, die in einer Erkrankung münden können. Betroffene von Dysmorphophobie benötigen in jedem Fall professionelle Hilfe in Form von psychologischer Beratung. Dort finden sie die Unterstützung, die sie brauchen, um aus dem zerstörerischem Gedanken-Gefängnis ausbrechen zu können.

Du bist nicht allein!

Wer Selbstmordgedanken hat oder an Depressionen leidet, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits ein einzelnes Gespräch. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich rund um die Uhr kostenlos unter der Rufnummer 142 an die Telefonseelsorge wenden. Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt ÄrztInnen, Beratungsstellen oder Kliniken.

 

Das neue österreichische Suizidpräventionsportal www.suizid-praevention.gv.at bietet Informationen zu Hilfsangeboten für drei Zielgruppen: Personen mit Suizidgedanken, Personen, die sich diesbezüglich Sorgen um andere machen, und Personen, die nahestehende Menschen durch Suizid verloren haben. Das Portal ist Teil des österreichischen Suizidpräventionsprogramms SUPRA des Gesundheitsministeriums.

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