Altersarmut ist weiblich: Wie geht man eine Finanzberatung an?

Ein Laptop, Notizbuch und Tee auf einem Schreibtisch
Wie veranlagen Frauen ihr Geld am schlausten? Wir haben eine Finanzberatung gemacht, um unsere Pensionslücke zu schließen.

Eigentlich male ich mir meine Zukunft, abseits vom zerstörerischen Klimawandel, rosig aus. Ich plane nämlich finanziell erfolgreich und unabhängig zu sein, in einem schönen Zuhause zu wohnen und vielleicht auch eine Familie zu haben. Aber wie realistisch ist diese Vorstellung eigentlich?

Ich muss ehrlich gestehen, ich rechnete nie wirklich mit einer Pension – beziehungsweise, mir mangelte es an Vorstellungskraft, wenn es darum ging, 20 Jahre in die Zukunft zu blicken. Schließlich hat sich die Welt innerhalb der letzten fünf Jahre für meinen Geschmack bereits viel zu drastisch gewandelt. Dass unser aktuelles Pensionssystem dann noch bestehen sollte, schien mir unrealistisch. Ehrlicherweise war Tiefstapeln auch eine Art, mich vor Enttäuschungen zu schützen. 

Altersarmut betrifft eher Frauen

Auch medial nimmt das Thema der Altersarmut bei Frauen immer mehr an Fahrt auf. Vielleicht weil Österreichs (ÖVP)-Spitzenpolitik auch auf Begriffe wie die "Teilzeitfalle" pocht, oder weitere "Säulen der Pensionsvorsorge" propagiert. Es scheint, es geht sich langfristig für alle nicht mehr aus, was für Frauen bereits jetzt nicht mehr funktioniert: Laut Statistik Austria waren 2022 18 Prozent aller Frauen über 65 Jahre in Österreich armutsgefährdet. Das Thema persönlicher Pensionsvorsorge drängt sich deshalb auch immer mehr in mein Bewusstsein. Aber wie schützt man sich eigentlich vor der Pensionslücke?

Denn ja, Altwerden ist erstrebenswert, es ist aber auch ein finanzielles Privileg. Ich will mir also ein Bild meiner eigenen monetären Situation verschaffen, ganz nach dem Motto: Den harten Zahlen und Fakten ins Auge schauen. Vorsorge und Vermögensaufbau waren für mich oft nebulöse Themen, die scheinbar alle anderen betrafen, nur nicht mich selbst.

Geld ist Damensache

Was ich also brauchte, war eine Expertin, die mir nicht nur meine brennenden Fragen für diesen Artikel beantwortet, sondern mir ehrlicherweise auch ein wenig die Hand hält, wenn es darum geht, die Zahlen zu jonglieren. Ich habe mehrere Jahre Arbeit im Ausland (anderes Pensionssystem) sowie Selbstständigkeit hinter mir – es gibt also bessere Voraussetzungen für ein prall gefülltes Pensionskonto. Nach einer kurzen Recherche stieß ich auf Dr. Marietta Babos, eine in St. Gallen promovierte Bank- und Finanzexpertin, die 2018 ihre Initiative Damensache – eine unabhängige Finanzberatung für Frauen – gründete. Dafür erhielt sie 2019 auch das Stipendium des Europäischen Forums Alpbach als Femtrepreneurin. 

Frau Dr. Babos und ihr Team helfen speziell Frauen dabei, schlau vorzusorgen und die Scheu vor Finanzen zu verlieren. Wie sie erklärt, steuern wir nämlich auf einen "Pensionswandel ähnlich wie dem Klimawandel" zu. Ich persönlich möchte nicht mehr die Augen davor verschließen und mir ein Stück finanzielle Selbstermächtigung zurückholen. Dr. Babos stattete mich für meine Recherche freundlicherweise mit ihrem Ratgeber "Geld ist Damensache" aus, in dem die wichtigsten Facts rund um persönliche Finanzen und Vorsorge leicht verständlich heruntergebrochen werden.

Dr. Marietta Babos posiert in einem roten Kleid

Damensache: Finanzberatung für Frauen von Dr. Marietta Babos

Erfahrungsbericht meiner Finanzberatung

Ich traf mich also (leicht nervös) mit Frau Dr. Babos zum Strategiegespräch (das als Service der Damensache übrigens immer kostenlos ist), um mir meine finanzielle Gegenwart und Zukunft näher anzusehen. Denn genau das sind Finanzen laut ihr: "Man hat seine Strategie, die man immer wieder anpasst. Je nachdem, was im Leben passiert, ob man Kinder kriegt, in Bildungskarenz geht oder sich die Welt verändert."

Im Vorfeld sollte ich meine Fixkosten und sonstige Ausgaben mit meinen Einkünften vergleichen. Außerdem, ob ich vielleicht bereits Vermögenswerte wie Immobilien oder Finanzprodukte wie ETFs, Lebensversicherungen oder Bausparverträge besitze. Mithilfe des Rechners der österreichischen Pensionsversicherung kalkulierte ich meine voraussichtliche Pensionssumme bei Pensionsantritt jeweils mit 62 und 65 Jahren, um einen Referenzwert zu erhalten. Mit meinen finanziellen Insights an der Hand begrüßt mich Dr. Marietta Babos via Videogespräch und erzählt mir von der Gründung der Damensache. Ihre Familiengeschichte habe sie dazu inspiriert, als ihre Mutter sich nach einem tragischen Verlust ihres Ehepartners von einem Tag, auf den anderen mit Altersarmut konfrontiert sah – ich fühle mich durch meine eigene Familiengeschichte gehört und verstanden.

Ablauf eines Strategiegesprächs

Für unser Strategiegespräch erklärt mir Frau Dr. Babos, was sie grob mit mir vorhat: "Ich möchte zuerst grundsätzlich mit Ihnen gemeinsam durchgehen, wie Sie Ihr Erspartes und das Geld, was Sie monatlich als Differenz haben, am besten strukturieren. Es geht darum, dass Ihre Gegenwart und Ihr Lebensstandard gesichert sind. Bis dahin haben Sie aber auch noch ein sehr schönes, langes Leben. Die Idee ist, dass sie zu jedem Zeitpunkt finanziell unabhängig sein können." Das klingt meiner Meinung nach ziemlich gut und freue mich auf den Deep-Dive.

Nach einem persönlichen Kennenlernen machen uns die Expertin und ich direkt daran, mein Pensionskonto einzusehen. Mit der ID Austria bekommt man nämlich in nur wenigen Klicks Zugriff darauf – was ich vor Frau Dr. Babos‘ Information noch nicht wusste. Die Dienstjahre, die ich im Ausland absolvierte, soll ich laut ihr unbedingt nach Österreich umtragen lassen, da dies nicht nur mehr Geld bringe, sondern auch als Beitragszeit gelte, und mich vor potenziellen Abschlägen schützt.

Monatliche Fixkosten versus Gehalt

Dann geht es ans Eingemachte: Die Expertin befragt mich nach meinen Netto-Einkünften und Zuverdiensten. Nur kurz fühlt sich das Teilen von so privaten Informationen an, als würde ich mich bis auf mein Unterhemd ausziehen. Frau Dr. Babos hat aber eine freundliche, kompetente und offene Art, sodass ich gerne alle Informationen mit ihr teilen möchte und in Folge die Zahlen meines Lebens vor ihr ausbreite. Denn ja, Ehrlichkeit gehört dazu. Wir gehen meine groben Fixkosten durch. Fragen, die dabei aufkommen, beantwortet die Finanzberaterin gründlich und gibt mir das Gefühl, dass ich schon einiges im Griff habe – das motiviert mich durchaus.

Zu meiner Miete befragt, meint die Finanzexpertin, dass das Verhältnis meines Einkommens dazu sehr gut ist. Die Damensache rät, nur bis zu 40 Prozent des Nettogehalts fürs Wohnen auszugeben. Wenn man darunter ist, umso besser. Um meine Situation besser einzuschätzen, fragt Dr. Babos, ob bald ein Umzug geplant ist. Außerdem, wie viel ich sonst fürs Leben ausgebe. Ich nenne ihr meine Summen und erkläre ihr, dass ich gerne mal Geld für Reisen ausgebe und auch sonst eher die Sorte "Genussmensch" bin. Ich bin froh, dass ich hier nicht verurteilt werde, sondern wir uns in einem wertfreien Raum befinden. Geld will man schließlich auch manchmal ausgeben, daher meint die Expertin: "Das 13. Und 14. Gehalt berücksichtige ich nie bei der Planung." Wir kalkulieren diesen Betrag deshalb als meinen Urlaubstopf, den ich mehr oder weniger auszuschöpfen gedenke.

Inflation und Sparen

Von den übrigen Zahlen eruieren wir gemeinsam die Summe, die vom Gehalt monatlich übrigbleibt, worüber wir laut der Vermögensberaterin "nachdenken können", ergo, das Geld, das wir mittel- bis langfristig veranlagen können. Denn, dass wir zu Investor:innen werden müssen, steht für Frau Dr. Babos außer Frage: "Die Inflation frisst sonst unser Geld langfristig auf."

Nächster Punkt auf der Agenda: Mein Erspartes. Ich erkläre Frau Dr. Babos, in welcher Form ich mein Geld verwaltet habe. Ein Teil liegt unverzinst auf meinem Sparkonto herum, ein anderer befindet sich in zwei verschiedenen ETFs über eine Onlinebank angelegt. Durch die Vermögensberaterin erhalte ich den wichtigen Tipp, dass sich in Sachen Tagesgeld kürzlich etwas geändert hat. Durch Druck auf die Banken bieten manche Onlinebanken (und vielleicht auch meine Bank?) nun einen kleinen Zinssatz auf täglich verfügbares Geld an. Was jetzt branchenüblich ist, möchte ich so schnell wie möglich anwenden und plane, meine Hausbank danach zu fragen. 

Wir besprechen die Vor- und Nachteile von Goldkäufen und diskutieren, ob die Anschaffung in mein finanzielles Portfolio passen würde. Außerdem gebe ich der Expertin einen Überblick über ein erwartbares Erbe von Immobilien. Bei dem Gedanken muss ich ein wenig lachen, da ich sonst "Finanz-Bros" eher skeptisch gegenüberstehe. Ich merke: Finanzielle Entscheidungen bringen mir überraschend viel Selbstvertrauen sowie das Gefühl von Freiheit und Sicherheit. Ich bin froh, mit solch einer erfahrenen Person darüber sprechen zu können.

"Fin-fluencing" über Instagram und Co.

Die Expertin erklärt mir, auf Instagram angesprochen, dass Online auch viel Halbwissen über Finanzen verbreitet wird. Sogenannte Fin-Fluencer:innen werden zukünftig deshalb auch rechtlich zur Rechenschaft gezogen. "Man muss da ein wenig aufpassen, wem man vertraut. Es gibt nicht ohne Grund jährlich verpflichtende Weiterbildungen, um von der Finanzaufsicht lizenziert zu bleiben", meint Dr. Babos.

Gemeinsam definieren wir in Folge die Höhe meiner persönlichen Notreserve, die mir eben bereits durch Finanz-Blogger:innen bekannt war. Also der Notgroschen, den ich schnell zur Verfügung haben sollte, wenn das Leben dazwischenkommt – wer kennt’s nicht? Ihr erster Vorschlag ist es also, meine Notreserve zu optimieren und auch dafür ein wenig Zinsen zu bekommen. Sie erklärt mir: "Das Wichtigste ist die Notreserve, denn wenn die nicht aufgefüllt ist, sollten wir gar nicht über Veranlagungen nachdenken. Ich empfehle dafür drei bis sechsmal die gewöhnlichen Fixkosten zur Seite zu legen". Meine Notreserve ist gedeckt, deshalb spreche ich mit ihr weiter über Möglichkeiten, mein Geld für mich "arbeiten" zu lassen.

ETFs: Exchange Traded Funds

Ich besitze bereits Anteile an zwei verschiedenen ETFs (also börsengehandelten Indexfonds) – an einen sende ich monatlich eine fixe Summe in Form eines Sparplans. Eigentlich bin ich der festen Überzeugung, dass beide meiner Produkte top performen. Als ich die Zahlen mit Frau Dr. Babos aber genauer durchleuchte, zeigt sich, dass ich zwar zu einem glücklichen Zeitpunkt eingekauft habe, ein ETF jedoch nur durchschnittlich zu bewerten ist und durch seine hohe Wertschwankung sogar ein hohes Risiko birgt. Die Finanzexpertin teilt ihren Bildschirm und wir gehen verschiedene weitere ETFs und Fonds gemeinsam durch, um diese zu analysieren. 

Brauche ich Vorwissen rund um Finanzen?

Mit meinem Vorwissen und betriebswirtschaftlichem Studienabschluss verstehe ich die Hintergründe zu Trading bereits sehr gut – aber auch Personen, die noch nichts mit Finanzen am Hut hatten, werden Frau Dr. Babos Ausführungen meiner Meinung nach gut folgen können. Sie klärt mich über das Währungsrisiko, Nachhaltigkeits-Ratings, laufende Kosten, Timing des Kaufs und Volatilität auf. Für mich persönlich kann ich in Folge ableiten, welche Kaufentscheidungen ich eventuell treffen möchte.

Mein Geld ist laut der Expertin bereits wunderbar verteilt, ihr Optimierungsvorschlag wäre aber, dass neben meinem Notgroschen und dem mittelfristigen Investment noch eine langfristige Komponente hinzugefügt wird: "Ich empfehle immer 10 Prozent des Nettoeinkommens langfristig anzulegen". Wir berechnen mit dem anonymen Zukunftsrechner auf der Damensache-Website die Höhe der Summe, die ich in der Pension dann zu meiner staatlichen Vorsorge zuschießen könnte, wenn ich diese ab jetzt schlau veranlage. Die Expertin meint: "Das ergibt ein schönes Bild, weil sie früh dran sind. Eines meiner Anliegen ist, möglichst viele Frauen bereits in jungen Jahren zu motivieren ihr Geld zu veranlagen. Es ist nie zu spät! Je früher vorsorgen, desto besser" Die Linie zeigt an, dass mein Geld in Jahrzehnten nicht mal die Hälfte wert wäre, wenn ich es unverzinst herumliegen lassen würde. So verbildlicht, wirkt der Unterschied wirklich erschreckend.

Steuervorteil für langfristige Investments

Der Staat möchte uns motivieren, unser Geld langfristig zu veranlagen, "daher gibt es einen Steuervorteil, der nur über Versicherungen zu haben ist", erklärt mir Frau Dr. Babos. Wenn man etwa ETFs über Versicherungen kauft und 15 Jahre lang nicht anrührt, dann verzichtet der Staat auf die Kapitalertragssteuer (27,5 Prozent), will jedoch 4 Prozent vom Kapital – im Vergleich macht das aber "einen gewaltigen Unterschied". Die Damensache vergleicht in Folge die Angebote für mich – die Provision ist bei Versicherungsprodukten nämlich bereits gesetzlich im Kaufpreis inkludiert – so finanziert sich auch die Initiative, um weiterhin kostenlose Finanzberatungen mit Frauen durchführen zu können.

Familienplanung und Teilzeit

Finanzen sind etwas höchst Persönliches, so eröffnet mir das Beratungsgespräch fast so etwas wie eine Vogelperspektive auf mein Leben. Ich bespreche mit Dr. Marietta Babos, ob und wann ich mir Kinder vorstellen könnte, beziehungsweise, was das für meine Finanzen bedeuten würde. Die Expertin teilt wertvolle finanzielle Tipps mit mir und wir sprechen über die sogenannte "Teilzeit-Falle", die laut ihr gar keine ist, sie würde sich nur wünschen, dass wenn Frauen Teilzeit arbeiten, sie deshalb auch nicht weniger verdienen würden. Gerade in schaffenden Berufen (wie meinem), solle man versuchen, sich das auszuhandeln, sagt die Expertin: "Ich möchte an unsere Verantwortung appellieren." Die Pensionsvorsorge wird im Idealfall während der Karenzzeit ebenfalls nicht stillgelegt. Wie sie in ihrem Buch "Geld ist Damensache" festhält, "ist die Schlussfolgerung natürlich nicht, auf Familie zu verzichten, sondern clever zu planen." Damit fällt mir tatsächlich ein Stein von Herzen, da mich die Themen Familienplanung und Finanzen schon sehr lange gestresst haben.

Gegen Ende des Gesprächs habe ich bereits eine grobe Idee, wie ich mein Geld in Zukunft anlegen und verteilen möchte. In Folgeterminen plane ich, die letzten Details mit Frau Babos festzulegen, in der Zwischenzeit habe ich genug Bedenkzeit. Ein Finanzkonzept zu erarbeiten, dauert in der Regel drei gemeinsame Termine und nach jedem Jahr gibt es ein Check-Up. "So kann ich die Kundinnen auf neue Angebote aufmerksam machen, die es vor einem Jahr vielleicht noch nicht gegeben hat. Das ist kein Affiliate-Programm, das ist ein typischer Service der Damensache", meint Dr. Marietta Babos.

"Glow-Up" durch finanzielle Selbstermächtigung

Als Frau Dr. Babos und ich das Gespräch langsam beenden, macht sich Begeisterung breit. Wer hätte gedacht, dass mir Finanzen Spaß machen können? Ich bin froh, dass ich meine emotionale Blockade rund um Geld dank der Damensache aufbrechen konnte und spreche mit der Expertin über meine neugewonnene Begeisterung des Themas.

Sie meint: "Es ist oft ein Hindernis, dass man sich nicht traut. Man sieht aber einen echten den Glow-Up bei den Frauen. So kann man mit dem eigenen Beispiel andere Frauen inspirieren. Hauptsache, man beschäftigt sich damit." Und das habe ich dank meiner Beratung auf jeden Fall vor! Ich habe das angenehme Gefühl, mein Leben (zumindest in dieser Hinsicht) gut im Griff zu haben. Meinen Freundinnen und weiblichen Verwandten werde ich auf jeden Fall den Tipp geben, auch mal genauer hinzuschauen und die Scheu vor Geld zu verlieren. Damit wir alle gut versorgt gemeinsam alt werden können.

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