Martin Sellner: Rechtsextreme, die so tun, als wären sie keine

 Identitären-Sprecher Martin Sellner während einer Kundgebung "gegen Terror" der Identitären Bewegung Österreich im Juli 2017
Der Rechtsextremist und ehemalige Chef der "Identitären Bewegung Österreich" ist mal wieder in aller Munde.

"Mein Name ist Martin Sellner. Als patriotischer Aktivist, Autor und Journalist stehe ich für Wahrheit & Widerstand, Theorie & Aktion."

So beschreibt sich Martin Sellner selbst. Der Österreicher ist eine zentrale Figur in der aktuellen Debatte um Rechtsextremismus im deutschsprachigen Raum, zumal er beim "Geheimtreffen in Potsdam" eine entscheidende Rolle spielte - er "referierte" zum Thema "Remigration". 

Werfen wir also einen Blick in die Vergangenheit eines Rechtsextremisten, mit dem Mitglieder von Parteien wie AfD und FPÖ so gerne kuscheln.

Martin Sellners Vergangenheit

Am 8. Jänner 1989 erblickte Sellner in Baden bei Wien das Licht der Welt. Das nächste, was man bei der Recherche über sein Leben erfährt, ist, dass er sich schon in jungen Jahren der Neonazi-Szene angeschlossen hat. Sein "Mentor" in dieser Szene war der Holocaustleugner Gottfried Küssel, einst ebenfalls eine Schlüsselfigur der rechten Szene. Dieser organisierte mit seiner "VAPO" (Volkstreue Außerparlamentarische Opposition, eine militante Neonazigruppe) in den 90er-Jahren sogenannte "Wehrsportübungen", bei denen laut "FM4" unter anderem das Verprügeln von „Vertretern des verhassten Systems, Linken, Kommunisten und Ausländern" geübt wurde.

Laut "ZIB" und "derStandard" nahmen damals auch der ehemalige Vizekanzler Heinz-Christian Strache (bis 2019 FPÖ) sowie Andreas Reichhart (FPÖ), ehemaliger Bundesminister für Verkehr, an diesen Übungen teil.

Wenn diese Personen auf ihre Vergangenheit angesprochen wurden, hörte man nicht selten den Spruch: "Ich war jung und dumm". Gut, sie sind älter und klüger geworden - aber auch "weniger rechts"? Zurück zu Sellner: Nach Schule und Präsenzdienst ging er nach Wien und studierte Philosophie, ein Studium der Rechtswissenschaften brach er ab.

Seit 2006 ist der 35-jährige Österreicher (vielen) deutschsprachigen Polizist:innen ein Dorn im Auge. In jenem Jahr fiel er erstmals auf, als er gemeinsam mit einer weiteren Person Hakenkreuz-Aufkleber an einer Badener Synagoge anbrachte. Dabei verwendete er auch Aufkleber mit der Aufschrift "AJ" (Arische Jugend).

Martin Sellner heute

2012 gründete Martin Sellner gemeinsam mit dem Gleichgesinnten Partick Lenart die Identitäre Bewegung Österreich (IBÖ). Seit dem ist Martin Sellner bemüht, über "die Wahrheit" aufzuklären. Diese werde nämlich "dem Volk" vorenthalten. Sellner und seine Gesinnungsgenossen verwenden bewusst nationalsozialistische Kampfbegriffe, um ihr völkisches und rassistisches Gedankengut zu teilen - genau kalkulierte Grenzüberschreitung also. 

2018 wurde Sellner bereits die Einreise nach Großbritannien verweigert, wo er auf einer rechten Veranstaltung sprechen sollte. Seit 2019 wird ihm zudem die Einreise in die USA verweigert, da er nachweislich mit dem Attentäter von Christchurch, Brenton Tarrant, in Kontakt stand und sogar Spenden von ihm angenommen hat. Sellner ist verheiratet mit der rechten Aktivistin Brittany Pettibone, welche für ihn in Amerika Fans anwirbt. 

Zur Erinnerung: Brenton Tarrant ist ein Rechtsterrorist und Massenmörder, der am 15. März 2019 die schlimmste Tat in der neuseeländischen Kriminalgeschichte verübte. Seinen Amoklauf, der sich gegen islamische Gebetszentren richtete, streamte er über Facebook. Tarrant tötete insgesamt 51 Menschen und verletzte weitere 50. 

Sellner stand "derStandard" zufolge zuvor mit Tarrant in Kontakt, lud ihn nach Österreich ein und bot ihm an, ihn bei den Identitären aufzunehmen.

Sellner war 2023 zum "Geheimtreffen der AfD" gereist, um dort über "Remigration" zu sprechen, eines seiner Leitthemen, wenn es um die Ausrichtung der jungen neuen Rechten geht. Er und andere rechte Verschwörer propagieren seit Jahren einen "großen Austausch" der Bevölkerungen des politischen Westens und Ostens. 

Aktuelle gesellschaftliche Probleme erklären sie in erster Linie mit klassisch rechtspopulistischen "Feindbildern" und gezielter Rhetorik.

Martin Sellner: Rechtsextreme, die so tun, als wären sie keine

"Wir hören nicht auf, bis der Geheimplan umgesetzt ist." So schreiben Sellner und seine Sinngenoss:innen im Telegram-Chat.

Martin Sellner  wird nicht ohne Grund von diversen staatlichen Sicherheitsorganisationen genau beobachtet.  Er selbst behauptet unermüdlich, er werde "zensiert". Ende Jänner 2024 wurde bekannt, dass auch Deutschland überlegt, ihm die Einreise zu verweigern, dennoch reiste er am 29. Jänner ein und brüstete sich mit diesem "Sieg" auf seinem Telegram-Kanal. 

Dazu leitete er eine Nachricht weiter, von einem anderen Kanal namens "Lederhosenrevolte" – offensichtlich gegenseitige Unterstützer. 

Sellner ist nicht wie die "Alten Rechten". Er ist kein alter weißer Mann, er tritt als junger Akademiker mit scheinbar wissenschaftlich fundierten Ideen auf. Er und seine Kreise leisten Vorarbeit für AfD und FPÖ, sie holen junge unentschlossene Wähler:innen ab. Meist handelt es sich dabei um weiße Jugendliche auf der Suche nach Identität, wie man unschwer auf den Demos der Identitären erkennen kann.

Der deutsche Kabarettist Florian Schroeder erklärt "FOCUS" gegenüber: "Bei Nazis denken wir an Springerstiefel und die NPD. Die gibt es natürlich auch – aber sie wollen sich von diesem Image lossagen. Sie wollen damit eine Art intellektuelle Vorherrschaft erreichen. Sellner soll der Typ sein, mit dem man auch Jüngere erreichen kann."

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