Was ist der Unterschied zwischen Antisemitismus & Antizionismus?

Konzertfoto von Rapper Disarstar mit rotem Stern im Bühnenbild
Was ist eigentlich der genaue Unterschied zwischen den beiden Begriffen? Beim Thema Nahostkonflikt ist korrekte Benennung höchst wichtig.

"Ich sehe mich als Antikapitalist, Antiimperialist und Antifaschist", erklärt Gerrit Falius, der auch als Rapper Disarstar bekannt ist, sich selbst "laut.de" zufolge. Der tätowierte rote Stern auf seiner Haut zeigt, dass er noch eine weitere Ideologie verinnerlicht hat: Den Kommunismus. Als Kommunist und Rapper aus Überzeugung sammelte Disarstar in den letzten Jahren Fans, und die lieben ihn – sein letztes Album "Roter Oktober" landete etwa auf Platz 5 der Charts.

Doch dann der Dämpfer: Am 21. Oktober sendete der NDR im "Hamburg Journal" einen Beitrag über den gebürtigen Hamburger Künstler und lobte ihn für sein bürgerliches Engagement. Doch kurz darauf folgte eine Welle der Kritik in sozialen Medien. Zwei Lieder, die Disarstar im Alter von 15 und 16 Jahren aufnahm, enthalten nämlich eindeutig Passagen, die sich auf zionistische Inhalte und Juden:Jüdinnen beziehen.

Jetzt werden sowohl dem Sender als auch dem Künstler Antisemitismus vorgeworfen. Stimmt das so?

Was ist Antizionismus?

Laut "bpb" ist der Zionismus eine religiös-nationalistische Ideologie. Kerngedanke und Namensgeber ist der hebräische Name "Zion" für den Tempelberg in Jerusalem, der für alle drei monotheistischen Weltreligionen von großer Bedeutung ist. Das ursprüngliche Ziel der Ideologie war die Ansiedlung von Juden:Jüdinnen in einem Nationalstaat in der derzeit umkämpften Region um den Gazastreifen, das Westjordanland, und die Region Palästina.

Seitdem es einen Staat Israel gibt (1948), widmet sich der Zionismus "Oxford Dictionary" zufolge "der Entwicklung und dem Schutz des Staates Israel."

Der Begriff "Zionist:in" wird in rechtsextremen Kreisen jedoch häufig als Ersatz für "Jude:Jüdin" verwendet, um offensichtlichen Juden:Jüdinnenhass zu verschleiern oder unter dem Deckmantel der Kritik an einer nationalistischen Bewegung zu verbergen. Andere Stimmen, vor allem aus der islamischen und arabischen Welt, werfen dem rechten israelischen Regime und seinen Unterstützer:innen vor, hier absichtlich Verwirrung zu stiften, um der Kritik an den Militäroperationen der IDF (Israel Defense Force) zu entgehen.

Antizionist:innen sind somit alle, die sich gegen diese Bestrebungen eines nationalistischen Staates Israel aussprechen.

Was ist Antisemitismus?

Dass sich Antisemitismus so ziemlich mit "Juden:Jüdinnenfeindlichkeit" übersetzen lässt, ist klar. Das Wort entstand als Eigenbezeichnung eines judenfeindlichen Vereins von angeblich 600 "nicht-jüdischen Männern", der "Antisemitenliga" – geführt vom deutschen Journalisten Wilhelm Marr. Die klare Abgrenzung zum Antizionismus liegt im jeweiligen "Feindbild" der Ideologie.

  • Während der Antisemitismus sich direkt gegen die Volksgruppe der Juden:Jüdinnen richtet, handelt es sich beim Antizionismus um eine Haltung gegen eine politisch-religiöse Überzeugung.
  • "DerStandard" schrieb über die aktuelle israelische Regierung unter Benjamin Netanjahu: "Noch nie war eine so weit rechts stehende Regierung in Israel am Ruder."

Desaster um Disarstars Texte

In den Songs "Free World" und "Roter Stern" finden sich nun Textpassagen, die sowohl dem Antisemitismus, als auch dem Antizionismus zuzuordnen sind. Konkret geht es um diese Zeilen:

  • "Ich sag: Freiheit für Palästina, bring den Frieden mit, wusstest du eigentlich, dass der Stabschef von Amerika Israeli ist? Was fürn Zufall, sie belügen dich! Wusstest du, dass der größte Sponsor von Obamas Wahlkampf jüdisch ist? Die Menschen geben sich auf, ja, sie fügen sich!"
  • "Tod dem Faschismus, Tod den Zionisten, Freiheit über Geld! Wann wachst du endlich auf, westliche Welt?"

Während die zweite Textpassage klar antizionistisch ist, spielt der 15-Jährige Disarstar in der ersten auf die Schwurbler-Verschwörungstheorie an, dass ein angeblicher Geheimbund von Juden:Jüdinnen heimlich die Welt regieren würde.

Der Rapper hat zu den Anschuldigungen bereits Stellung genommen und erklärt, dass diese Texte "aus einem völlig anderen Lebensabschnitt" stammen würden. Der damals Minderjährige war zu der Zeit bereits vorbestraft und in einem schwierigen sozialen Umfeld. "Wer meine Songs seit jener Zeit hört, meine Konzerte besucht, meine Interviews schaut, mich in sozialen Medien verfolgt oder mich persönlich kennt, weiß, dass ich stets entschlossen Position gegen Antisemitismus einnehme. Das weiß jeder, der es wissen möchte", heißt es.

Der ehemalige linke Bürgermeister von London, Ken Livingstone, bekannt als "Red Ken", plädierte 2016, als die Unruhen im Nahen Osten wieder aufflammten, "BBC" zufolge für eine klare Differenzierung: "Wir dürfen Antisemitismus nicht mit Kritik an der Politik der israelischen Regierung und der Behandlung der Palästinenser verwechseln."

Wenn auch du Erfahrungen mit Rassismus oder Diskriminierung machst, dann wende dich an den Verein ZARA – Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit.

Wenn du Antisemitische Vorfälle miterlebst, kannst du diese bei der dazugehörigen Meldestelle melden.

Das Bundeskanzleramt bietet für Menschen die Erfahrung mit Diskriminierung oder Rassismus gemacht haben eine Hotline an. Hier findest du weitere Informationen.

Wenn du speziell antimuslimischen Rassismus erlebst, kannst du dich unter "Dokustelle.at" melden, wo dir ebenfalls geholfen werden kann.

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