Beige-Fluencer:innen: Wer sind sie und was wollen sie?

Was ist die Bedeutung hinter Beige-Fluencer:innen?
Die Vorbilder des Internets trinken Matcha-Hafer-Latte auf einer beigen Couch. Sie tragen Leinenhosen und filigranen Goldschmuck, ihr Make-up ist dezent und akkurat gemalt. Die gestählten Muskeln zeichnen sich ab, stehen aber niemals im Mittelpunkt der Geschichte. Ihr Workout hingegen schon– schließlich fand dieses um 06:00 morgens statt, bevor sie ihren Mikronährstoffbedarf mit einem selbst-gemixten Smoothie deckten. Das Rezept dafür wurde verlinkt. Der Affiliate-Link zum Vitamin-Präparat ebenfalls. Was sind Beige-Fluencer:innen?
Ein Leben nach beigem System
Viele Influencer:innen, vor allem die, deren Follower:innenzahlen im Millionenbereich angesiedelt ist, scheinen ein Leben zu führen, das nach System funktioniert. Wichtig dabei sind folgende Punkte:
- Ästhetik: Beige, minimalistisch und meistens hochwertig.
- Beziehungsleben: Stabil, monogam und oft heteronormativ.
- Ernährung: Gesund, selbstgemacht, ein kleines bisschen experimentell.
- Mindset: Leistung, Unternehmer:innentum, persönliche Entwicklung.
Wer sind Beige-Fluencer:innen?
Wer Influencer:innen wie zum Beispiel Molly-Mae Hague, Negin Mirsalehi, Kenza Zouiten oder auch der österreichischen Tatjana Kreuzmayr folgt, wird wissen, was es bedeutet ein perfekt kuratiertes Leben zu führen. Ihre Routine scheint fast radikal, wie "TheGuardian" beschreibt. Während andere Online-Persönlichkeiten ein aufregendes Leben mit politischer Ambition zu führen scheinen, das von Jetset geprägt ist, bleiben diese auffallend oft daheim.
Keine ausgelassenen Partys, sondern Abende Zuhause vor dem Fernseher warten, die in einer beigen Polsterlandschaft in beiger Loungewear bestritten werden wollen. Morgen kommt schließlich ein Mörder-Workout dran und danach noch die nächste Finanzierungsrunde mit potenziellen Investor:innen für das neueste Business-Venture, das natürlich "on brand" sein muss.
Beige-Fluencer:innen Begriff
Online kristallisierte sich für diese Art von Influencer:innen bereits ein ganz spezieller Begriff heraus: Beige-Fluencer:innen. Schließlich scheint ihr ganzes Leben in der unaufdringlichen, aber edel-anmutenden Farbe gehalten zu sein. Im Vergleich dazu beschreibt "Vanilla" eher Personen, die gerne ein durchschnittliches, unaufgeregtes Leben führen und wenig Risiken eingehen – dies aber irgendwie dann doch nicht ganz zum "Girlboss"-Lifestyle erhoben haben. Manche würden sie vielleicht im positiven Sinne als "basic" beschreiben.
"Basic", aber nicht "vanilla"!
Beige-Fluencer:innen sind vielleicht ebenfalls "basic", sie führen aber bestimmt kein entspanntes Vanille-Leben. Harte Arbeit, unternehmerischer Geist und Ästhetik, die in ihrer Banalität auf die Spitze getrieben wurde, ist ihr täglich (beiges) Brot. Sie alle sehen gleich aus und wohnen in ähnlich dekorierten Räumen. Was sie außerdem verbindet: Persönliche Entwicklung, die oft unter dem Deckmantel von Spiritualität praktiziert wird. Eine kurze Pause vom unendlichen Wachstum heißt die Devise, philosophische Fragen werden in den aufgezeichneten Atem-Yoga-Sessions über Youtube aber wohl keine gelöst werden.
Weshalb das beige Leben?
Aber weshalb scheint ein objektiv langweiliges, von vielen Terminen geprägtes Leben so erstrebenswert? Die Follower:innen-Zahl scheint den Content Creator:innen schließlich recht zu geben. Wie "TheGuardian" vermutet, könnte die allgemeine Wirtschaftslage und politische Instabilität dazu beitragen, dass sich Menschen wieder mehr an puritanischen Werten orientieren. Diese würden Halt in unsicheren Zeiten geben und für beige Ordnung sorgen.
Vielleicht ist die Arbeitsmoral und der offensichtliche Erfolg dieser Personen aber auch einfach ein Ansporn für viele Follower:innen. Man könnte das Gefühl bekommen, dass diese nämlich wissen, was sie tun und ihr Leben im Griff haben – im Vergleich zum eigenen, chaotischen Privatleben bringt das vielleicht auch einen Funken Hoffnung. Und wenn man selbst dann vor der Arbeit noch eine Trainingseinheit geschafft hat, ist die beige Villa und die Langzeitbeziehung mit der großen Liebe vielleicht auch nicht mehr so unrealistisch.
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