Übermäßiges Entschuldigen - ein Zeichen für Depression?

Depression und Schuld: Dargestellt in einer kauernden Statue.
Hin und wieder sind wir schnell darin, uns für Dinge zu entschuldigen, die gar nicht in unserer Verantwortung liegen.

Vor wenigen Stunden war ich roten Kopfes in einer hitzigen Diskussion mit meiner Schwester, welche damit endete, dass sie wutentbrannt und unter Tränen die Wohnung unserer stillen Mutter verließ. Meine Hände sind kalt und fühlen sich feucht an, der Atem geht schwer. Ich sitze wippend im Bus und muss stark schlucken, mein Blick wandert mit zuckender Augenbraue aus dem Fenster. War ich zu zu sehr auf mich selbst fixiert? Habe ich ihre Gefühle nicht validiert, habe gar darauf herumgetrampelt? 

In Momenten wie diesen, wo meine Gedanken sich überschlagen, ich erhebliche Selbstzweifel hege und vermeide zu sehen, dass ich auch nur ein Mensch bin, hilft wohl Akzeptanz. 

Aktuelle Forschungen gehen hier einen Schritt weiter: Übermäßige Schuldgefühle sind "Psychology Today" zufolge ein oft übersehenes Symptom für eine Depression. Damit verbunden und für das Umfeld auffällig ist inbesondere das Bedürfnis, sich ständig zu entschuldigen.

Wann fühlen wir uns schuldig?

Wenn wir heutzutage über Schuld sprechen, tendieren wir leicht dazu, diese von uns zu weisen, man bekommt oft den Eindruck Schuldgefühle wären etwas grundlegend Schlechtes. Dabei sind sie wie kleine Erinnerungen daran, dass wir gegen unseren moralischen Kompass gehandelt haben. Etwas, was wir gesagt oder getan haben, ist nicht mit unserer eigenen Auffassung unserer Selbst vereinbar.

Aus diesem Grund sind Schuldgefühle auch so unangenehm, sie sind der Inbegriff von Unzufriedenheit mit sich selbst. Normalerweise folgt auf sie eine Reflexion sowie Aktion, um sie in Zukunft zu vermeiden. Wenn jedoch eine Depression vorliegt, laufen diese Prozesse der emotionalen Verarbeitung nicht reibungslos ab. Depressive Personen können Schuldgefühle oft nicht ablegen, selbst wenn sie keine "objektive Schuld" trifft, oder das Ereignis lange Zeit zurück liegt. 

Depressionen können unsere Wahrnehmung sogar so verzerren, dass wir uns für Dinge verantwortlich fühlen, auf die wir keinen Einfluss hatten.

Wenn aus dem "Tschuldigung!" eine Gewohnheit wird

Wenn du jemanden anrempelst, wie schnell kommt eine Entschuldigung aus deinem Mund? Bist du einer der Menschen, denen fast instinktiv ein "'Tschuldigung!" herausrutscht? Dann geht es dir so wie mir. Ständiges Entschuldigen ist auch ein oft beobachtetes Verhalten bei den sogenannten "People Pleasern", jedoch ist hier nicht Harmonie der treibende Faktor, sondern eben das Gefühl der Schuld. Dieses fördert eigentlich "prosoziales Verhalten", also "eine freiwillige Handlung, in der Menschen die Intention verfolgen, anderen Personen Nutzen zu bringen."

Menschen erinnern sich am besten an jene Dinge, die aktuell in ihrem Leben im Fokus stehen. Eine Person in einer Depression oder depressiven Episode hat jedoch einen dichten metaphorischen Nebel vor Augen. Weil sie kaum Freude in der äußeren Welt finden, kehren sie den Blick nach innen. Hier beginnt unsere Person dann damit, die eigenen Erfahrungen und Taten zu verurteilen, immer und immer wieder. Die negativen Gefühle lassen sie nicht los, weil sie sich in einem Kreislauf von Schuld befinden.

Die Einsicht von Schuld in Maßen macht uns zu "besseren Menschen" – zumindest in unseren eigenen Augen. Sie erlaubt uns, instinktive (Un-)Zufriedenheit mit unserer eigenen Person zu verspüren, ohne aktiv darüber nachzudenken. Depressive Menschen mit übermäßigem Schuldempfinden können in Extremfällen jedoch Probleme mit ihrem Selbstwertgefühl entwickeln. Sogar bis zu jenem Punkt, wo der eigene Körper nicht mehr als wertvoll oder erhaltenswert wahrgenommen wird.

Depression ist nicht nur unsichtbar, sie wird aus Scham oft sogar noch versteckt. Wenn wir Menschen in schwierigen Lebenslagen nicht zeigen, dass es vollkommen in Ordnung ist, sich in selbiger zu befinden und auch darüber zu reden, dann verschwindet diese Scham wohl nie, und Depression bleibt eine Volkskrankheit.

Wer Selbstmordgedanken hat oder an Depressionen leidet, sollte sich an vertraute Menschen wenden. Oft hilft bereits ein einzelnes Gespräch. Wer für weitere Hilfsangebote offen ist, kann sich rund um die Uhr kostenlos unter der Rufnummer 142 an die Telefonseelsorge wenden. Sie bietet schnelle erste Hilfe an und vermittelt ÄrztInnen, Beratungsstellen oder Kliniken. www.suizid-praevention.gv.at

Wenn du mit akuten Problemen zu kämpfen hast, kannst du dich jederzeit an die Telefonseelsorge unter 142 wenden – rund um die Uhr erreichbar, kostenlos und anonym.

Die Psychiatrische Soforthilfe steht ebenfalls rund um die Uhr als Not- und Krisendienst unter der Rufnummer (01) 31330 zur Verfügung.

Auf der Website des Bundesverbands für Psychotherapie findet ihr noch mehr Notfallnummern für mehrere Bundesländer.

Wenn du eine Therapie in Anspruch nehmen willst:

Unkompliziert zur telefonischen Erstberatung: Außerdem gibt es eine psychotherapeutische Erstberatungs- und Info-Hotline. Sie ist ein kostenfreies, vertrauliches, professionelles und anonymes Angebot.

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