Sinnlichkeit und Glamour: So bin ich auf einer Sexparty gelandet!

Wie läuft eine sexpositive Party ab?
ungeniert
Sexpositive Partys sind auf dem Vormarsch! So lief eine exklusive Sexparty ab, die an Glamour nicht zu übertreffen war.

Um das Thema Sex und Lust zu enttabuisieren, haben wir das neue Format "ungeniert – Lippenbekenntnisse der Redaktion" ins Leben gerufen. Dieses soll einen informativen 'Safe Space' zur Aufklärung bieten. Es erscheint zweimal monatlich auf k.at.

Sexpositivität kommt immer mehr in der Mitte der Gesellschaft an. Das Konzept, das bereits in den 70ern und 80ern von feministischen Movements geprägt wurde, beschreibt einen wertfreien Umgang mit Sexualität. Also: Alles kann und nichts muss! Auf sogenannten Sexpositive-Partys, die mittlerweile auch in Wien stattfinden, sind sexuelle Handlungen gerne gesehen. Das inklusive Umfeld mit Awareness-Team sorgt nämlich dafür, dass jede:r Teilnehmer:in seine:ihre Lust offen ausleben und sich dabei sicher fühlen kann. Ein Besuch auf einer solchen Party ist mit Sicherheit eine ganz besondere Erfahrung, die Abwechslung in den Alltag bringt.

Wie ist es also, an einer sexpositiven Party teilzunehmen? Unser:e Autor:in war Teil einer Sexparty, die eher an den Film "Eyes Wide Shut" erinnerte, als an einen Rave mit Sexfaktor. Das war seine:ihre Erfahrung:

Wichtig: Wie bei allen sexuellen Handlungen ist vor allem Konsens wichtig! Nur mit Einverständnis aller Partner:innen kann der Geschlechtsverkehr auch wirklich Spaß machen. Vergesst zudem nicht auf Verhütung und habt immer ein Kondom parat. 

Es begann auf einer App

Als mein Tinder-Date fragte, ob ich sein Plus Eins bei einer "sehr exklusiven" Party sein möchte, zögerte ich nicht lange und tippte: "Ja gerne, wie ist der Dresscode?". Als die Antwort dann auf meinem Display erschien, staunte ich nicht schlecht: "Dessous, Unterwäsche, das Thema ist irgendwas mit Asien." Auf welche Art von Party ich mich hier einließ, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar – Gespräche über Sexpositivität waren zu diesem Zeitpunkt eher weniger in meiner "Bubble" verbreitet. Wie man dem Thema des Fests (Asien) entnehmen kann, scheiterte es damals auch am Wissen über kulturelle Aneignung von asiatischer Ästhetik zu Lustzwecken. Mittlerweile weiß man es besser.

Party in geheimer Location

Und so stand ich also wenige Tage später an einer einsamen Bushaltestelle am Stadtrand und wartete auf meine Begleitung. Mein Look: Ein langer Morgenmantel mit asiatischem Muster, der mit viel Wohlwollen auch als Wickelkleid durchgehen hätte können. Darunter trug ich Spitzenunterwäsche, die wenig Raum für Interpretation ließ. Mein Tinder-Date kannte ich seit ein paar Treffen und fand ihn:sie eher freundschaftlich als sexuell spannend. Es sollte sich herausstellen, dass wir ein dynamisches Duo für einen außergewöhnlichen Abend waren. Wir waren nicht übermäßig aufeinander fixiert, sondern gingen gemeinsam auf Entdeckungsreise.

Bewerbungsverfahren im Vorfeld

Ich fand heraus, dass er:sie selbst nicht so genau wusste, worauf wir uns einließen. Es habe ein Auswahlverfahren gegeben und dadurch, dass er:sie Schauspieler:in war, wären wir zugelassen worden: "Die Party ist total elitär. Eine Bekannte von mir hat uns empfohlen, weil wir sonst keine Chance gehabt hätten, beim Event dabei zu sein." Diese Aussage irritierte mich ein wenig, da ich mir nicht vorstellen konnte, auf welche Art von Crowd ich später treffen würde.

Ich erfuhr außerdem, dass die zuständigen Veranstalter:innen im Vorfeld auch ein Foto von mir erhalten und meinen Beruf gecheckt haben. Ich hätte es also laut meinem Date durch das Screening geschafft. Es gäbe eine Website, die nur ein paar Wochen im Monat aktiv sei und wer sie nicht wöchentlich aufruft, der verpasst eben ein Event. Pech gehabt.

Die Begrüßung von Jessica

Angekommen im Industriegebiet, folgten wir der Musik. Beim Eingang wurde unsere Identität bestimmt und die Initiatorin der Party Jessica (Anm. Name geändert) begrüßte uns herzlich. Als Geisha verkleidet und bis zur Unkenntlichkeit geschmückt, machte sie einen starken Eindruck. Wir als neue Gäst:innen bekamen eine besondere Einführung von ihr.

Beim Event gehe es darum, jede Fantasie ausleben zu können, aber bitte immer mit Respekt, erklärte sie: "In Etage zwei befindet sich ein Bettenlager, das ihr jederzeit benützen könnt. Ihr dürft natürlich bei jeder Aktivität, also ich meine beim Gangbang, mitmachen, aber fragt vorher höflich nach. Die Leute hier sind alle so nett, ihr werdet sehen. Außerdem gibt es einen Raum, in dem ihr Sushi von nackten Körpern essen könnt und um Mitternacht findet eine Tanzeinlage statt." Außerdem, meinte Jessica, sollen wir einfach den DJ fragen, sollten wir denn Drogen konsumieren wollen, er würde uns gerne versorgen.

Bunte Kostüme und Nacktheit

Mein Date und ich sahen uns irritiert, aber auch neugierig an und dachten uns in dem Moment wohl genau das Gleiche: Wo zur Hölle waren wir hier gelandet? Rund um uns schillernde Persönlichkeiten, die in den wildesten Farben geschminkt und gestylt waren. Manche wirkten, als hätten sie Stunden damit verbracht, Kostüme an ihren Körper zu nähen, oder Looks aufzusprühen. Andere erschienen als (asiatische) Fabelwesen und wirkten kaum mehr menschlich. Aber immer: Viel Nacktheit und die Atmosphäre von Sinnlichkeit, die den Raum dominierte. Es roch betörend nach Moschus und wir traten gemeinsam auf die Tanzfläche, auf der aktivierende Techno-Musik gespielt wurde und bunte Lichter tanzten.

Gemeinsam mit meinem Date erkundete ich die verschiedenen Räume, aß Sushi von nackten Körpern und bestaunte Kunstwerke, die nur für diesen Zweck in der sonst industriell genutzten Halle angebracht waren. Der Vibe war mitreißend, flirty und unbestreitbar sexuell. Menschen küssten und liebkosten sich an jeder Ecke und fügten sich nahtlos in das Gesamtgefüge ein.

Aber auch die Gespräche waren angeregt, es ging um Themen wie Karriere-Aufstieg, Beziehungen und Antrieb im Leben. Es schien sich laut den anderen um eine Party von vielen zu handeln. Ein Thema war immer zentral: Wo war der Sex besser und wo war er schlechter? Vom Sex hatte ich selbst noch nicht viel mitbekommen.

Wo war der Sex?

Angekommen im zweiten Stock der Venue ergaben die Gespräche dann aber mehr als Sinn. Wir wussten endlich, wo der Sex stattfand – beziehungsweise, wir waren schlagartig mittendrin. Im Hochsommer brannte in diesem Raum nämlich ein Feuer im Kamin, der Boden war ausgelegt mit Matratzen und halbdurchsichtige Vorhänge trennten den Raum. Zwischen seidigen Stoffen räkelten sich Körper. Das Gesamtbild mutete wie ein Meer an Gliedmaßen an. Blickte man genauer hin, konnte man jegliche Art von sexuellen Handlungen beobachten. Voyeurismus war bei dieser Veranstaltung okay, einige der Teilnehmenden genossen auch die Aufmerksamkeit. Als ein Mann laut aufheulte, weil sich Ejakulat in sein offenes Auge verirrte, sah ich instinktiv weg. Mir war selbst auf einmal ein wenig nach Privatsphäre.

Nichts für "Anfänger:innen"

Für "Anfänger:innen" war diese Art von sexpositiver Party wohl schlechter geeignet, da es zwischen Gruppensex und unschuldigem Flirten wenig Spielraum gab. Obwohl ich und meine Begleitung auch andere sympathische Menschen kennenlernten, rumschmusten und wild flirteten, kam es zu keinem sexuellen Akt. Bevor es "ernst" wurde, brach ich ab, weil meine innere Alarmglocke schrillte. Das Setting war für meinen Geschmack und meinen ersten Besuch des Events einfach zu überbordend. Wer kann schon mit so viel Lust auf einmal umgehen, der sich nicht ständig darin übt? Beobachten und die Stimmung erfahren, war an diesem Abend genug für mein sanftes Gemüt.

Eine Erfahrung wie aus einem Film

Ich tanzte, feierte und erkundete dieses besondere Event mit einer Neugier, die ich persönlich seit Kindheitstagen nicht mehr gefühlt habe. Manchmal erfährt man eben doch noch Dinge, die man vorher so noch nicht kannte.

Mein Date und ich gingen im Morgengrauen nervös lachend Richtung Innenstadt und sagten: "Das war nicht real, oder? Das war irgendwie wie im Film."

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