Smut Books: Porno-Ersatz oder gefährliche Obsession?

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ungeniert
Auf TikTok, Instagram & Co wird immer häufiger über Smut Books berichtet. Doch was genau ist das eigentlich?

Triggerwarnung: In diesem Beitrag werden Themen wie verschiedene sexuelle Kinks, Stalking und Missbrauch behandelt. 

Um das Thema Sex und Lust zu enttabuisieren, haben wir das neue Format "ungeniert - Lippenbekenntnisse der Redaktion" ins Leben gerufen. Dieses soll einen informativen 'Safe Space' zur Aufklärung bieten. Es erscheint zweimal monatlich auf k.at.

Hast du schon einmal eine erotische Geschichte gelesen, die die lodernde Lust in dir ausgelöst hat? Szenen, die deine Fantasie so angeregt haben, wie schon lange nicht mehr? Dann könnten wohl sogenannte Smut-Bücher genau das Richtige für dich sein! Auf BookTok geht diese Art der Literatur viral.

Doch was genau versteht man darunter und könnte diese Art des Contents sogar gefährlich sein?

Was sind Smut Books?

Das Wort Smut bedeutet aus dem englischen übersetzt "Schmutz". In diesen Büchern geht es jedoch nicht um Abfall, sondern um sexuellen Inhalt, der meist sehr genau und explizit beschrieben wird. Als Synonym wird auch häufig das Wort "Spice" oder "spicey" (zu Deutsch "würzig") verwendet, um diese Art der Literatur zu beschreiben. Quasi ein "Groschenroman", der mit übermäßigem Geschlechtsverkehr gepimpt wurde.

Auf BookTok beziehungsweise Smuttok (knapp 6 Milliarden Aufrufen auf TikTok!) werden regelmäßig Bücher empfohlen, die besonders heiße Inhalte enthalten sollen. 

In vielen Geschichten geht es um eine romantische Beziehung zwischen (häufig) heterosexuellen Protagonist:innen, die – abgesehen von ihrer intensiven Liebe – umso heftigeren Sex haben. Von Kinks und meist ziemlich unrealistischen Sexstellungen bleibt fast kein Wunsch unserer geilen Sex-Herzen unerfüllt (Stichwort: Geschlechtsverkehr mit gut bestückten Monstern?!). Eines der beliebtesten Smut-Genres ist vor allem "Enemies to Lovers" – zu Deutsch: "Von Feind:innen zu Liebhaber:innen". 

Sind Smut Books die "besseren" Pornos?

Hätte mir jemand vor eineinhalb Jahren erzählt, dass ich an einem Samstagabend kichernd auf meiner Couch sitzen werde, um ein Smut Book zu verschlingen, hätte ich ihn:sie wohl ausgelacht. Ich bin ein sehr pragmatischer Mensch und manchmal bezieht sich das auch auf mein Sexleben. Ich will schnell auf den Punkt kommen und umso schneller zum Orgasmus – bei Pornos skippe ich eigentlich immer die ersten fünf bis zehn Minuten, bis ich mir die volle Dröhnung der Penetration oder Oralszenen geben kann. 

Doch das alles änderte sich, als ich eine App entdeckte, die mich in die Welt der Smut-Bücher entführte. Wie es dazu kam? Ich hab mich von einer Facebook-Werbung (!) überzeugen lassen. Ja, das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen, dass ich tatsächlich begonnen hatte, eine dieser total cringey Werbungen über eine Kurzgeschichte zu lesen und danach so begeistert war, dass ich unbedingt herausfinden musste, wie es weitergeht. 

Als ich die App heruntergeladen hatte, ging es direkt los: Meine persönlichen Favoriten waren Bücher über Werwölfe (und später auch weitere Fabelwesen wie Vampire, Feen & Co). In den Geschichten geht es meist um ihr Leben im Rudel, Kämpfe mit Feind:innen und die Suche nach ihrem "Fated Mate" (zu Deutsch quasi Seelenverwandten). Eine unsterbliche Liebe, die durch das Schicksal zusammengeführt wurde und vor allem durch intensiven Sex für immer gefestigt wird. Zugegeben, ich bin kein romantischer Mensch im echten Leben und Liebesfilme und/oder Liebesromane stehen bei mir eher selten an der Tagesordnung – doch die Smut Books über die übernatürlichen Wesen und ihren Seelenverwandten haebn mich einfach in den Bann gezogen.

  • Zwei superhotte Bestien (die natürlich außerdem wunderschön sind, eh klar), die sich stundenlang das Hirn rausvögeln, tausend Orgasmen haben und dabei ihre schicksalhafte Bindung festigen? Count. Me. In.
  • Ich war süchtig nach den Büchern und Storys, häufig verbrachte ich viel Zeit damit, um mir lahme Werbungen in der App anzusehen, um die neuen Kapitel mithilfe von sogenannten Coins freizuschalten. 

Monatelang habe ich niemandem davon erzählt. Es war mein kleines, schmutziges Geheimnis – bis ich immer mehr Content auf TikTok fand, in dem über Smut Books berichtet wurde – und wie großartig sie nicht seien. Ich hatte damals den Markt unterschätzt, denn erst als mir eine Freundin erzählt hatte, dass sie schon lange solche Literatur konsumiert und ich immer häufiger im Netz darauf stieß, legte sich meine Scham.

Smut Books zu lesen, war für mich sozusagen die "elegantere" Form des Pornokonsums

Hilfe? Sabotieren Smut Books mein Liebesleben?

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich diese Art der Bücher nicht oft sexuell erregt hätten. Sei es zu Hause auf meiner Couch oder in der U-Bahn, in der ich plötzlich die Beine überkreuzen musste, um nicht eine Überflutung auf meinem Sitz zu verursachen. Smut Books machen Spaß, das steht außer Frage, doch sie pflanzen uns auch falsche Vorstellungen in den Kopf. Das erkannte ich spätestens dieses Jahr, als ich mir einen Kindle gekauft habe und nun die meisten Bücher auf meinem Lesegerät verschlinge.

Ich fand mich oft in der Welt der Protagonist:innen wieder und versank in deren Liebesgeschichte – und noch mehr in deren Sexszenen. In den Werken war jede:r unsterblich verliebt, es gab extreme Höhen und Tiefen in der Beziehung und absolut jede:r ist allzeit bereit für Sex – immer und überall. Dass das weit entfernt von der Realität ist, sollte uns nicht wundern.

Was bei Smut Books kritisch hinterfragt werden sollte:

  • Meiner Meinung nach werden in den "klassischen Smut Büchern" die weiblichen Protagonisten häufig naiv, unschuldig und unerfahren dargestellt. Außerdem sind sie unglaublich hübsch und nahezu "perfekte" Good Girls.
  • Die Männer werden als dominant, aggressiv und oftmals als "besessen" von ihrem Schwarm beschrieben. 
  • Die Linie zwischen liebevoll und romantisch sowie übergriffig und toxisch wird in den dargestellten Beziehung häufig überschritten. Das schreibt das "John Hopkins Institut" beispielsweise auch über den Roman "50 Shades of Grey". 

Was ich mich mittlerweile frage, ist, wie sehr beeinflussen solche Bücher mein Liebes- beziehungsweise Sexleben? 

Permanent in der Welt der "perfekten" Partner:innen und der nie aufhörenden Orgasmen "gefangen" zu sein, kann nach einiger Zeit nicht guttun. Die sexuell expliziten Geschichten können meiner Meinung nach mit Pornos auf Papier verglichen werden. Und es ist kein Geheimnis, dass Pornokonsum uns stark beeinflusst.

  • Das erklärt auch der klinische Berater Gary Gilles in einem Artikel auf "MentalHealth.net": "Pornografie kann unrealistische Erwartungen wecken und dazu führen, dass sich Menschen weniger attraktiv oder begehrenswert fühlen, was zu Unsicherheit und Eifersucht führt. Sie kann auch zu einer Sucht werden, die zu Besessenheit und Ablenkung von anderen Aspekten des Lebens führt."

Smut Books hatten diesen Effekt auch auf mich, und das, obwohl ich parallel dazu auch Pornos konsumierte, doch die Geschichten brannten sich in mein Gehirn ein und setzten mir unrealistische Vorstellungen eines:einer Partner:in in den Kopf, den:die es nun mal nicht gibt. Manchmal saß ich mit meinen Dates bei einem Drink und dachte mir irgendwann: "Ich wünschte, du wärst einfach so leidenschaftlich wie Arius der Vampir oder dominant wie Luca, der Multimillionär." Ganz schön spooky, nicht wahr? 

Monster, Tiere & Co: Gehen Smut Books zu weit? 

Meine Werwolf-Geschichten und sogar Bücher über arrangierte Ehen, in denen sich die zwei Streitenden trotzdem unendlich ineinander verlieben (Enemies to Lovers!), waren vergleichsweise noch harmlos, nachdem ich mehr "hardcore" Smut gefunden hatte. In dem letzten Buch ging es nicht um eine Seelenverwandtschaft, sondern um Stalking, einen Kult, Misshandlungen in der Kindheit und Selbstverletzung beim Sex. Ich muss zugeben, dass ich mir die Triggerwarnungen erst durchgelesen habe, nachdem ich schon bei Seite 20 war und mir beim Lesen erstmals schlecht wurde – nicht vor lauter Geilheit, sondern vor Ekel. Ich war im Endeffekt schockiert darüber, was ich gelesen hatte – nein, nicht alles davon war schlecht – aber es störte mich die Tatsache, dass das Buch dermaßen auf TikTok gehypt wurde, dass ich es einfach lesen MUSSTE. 

Wie bei Pornos gibt es auch bei den sexy Groschenromanen Geschichten, die in eine sehr extreme Richtung gehen. Denn wir wollen immer mehr: mehr Geschlechtsverkehr, mehr Leidenschaft, mehr Härte, mehr Intensität. Sex mit Werwölfen ist eigentlich noch harmlos, wenn man bedenkt, dass es auch Bücher gibt, in denen es um tatsächliche Monster geht, die vielleicht mehr als einen Penis haben. Oder um Personen, die sich in eine Heuschrecke verlieben und sich dann in das Tier verwandeln, um intim zu werden – darüber hat unter anderem die Instagramerin @unfortunate_reads berichtet.

YouTuberin Swell Entertainment erzählte in ihrem Video über ein Buch, das 2020 populär wurde, als die Corona-Pandemie ihren Höhepunkt erreicht hatte. In der Geschichte verliebt sich eine Wissenschafterin in der menschlich gewordene COVID-19-Virus (Einzelheiten erspare ich euch an dieser Stelle). 

Sind Smut Books nun gefährlich? Jein. Meiner Meinung nach dienen sie definitiv – wie viele andere Bücher auch – dem Eskapismus aus der realen Welt. Wichtig hierbei ist jedoch, das Gelesene tatsächlich zu hinterfragen und sein eigenes Konsumverhalten im Blick zu behalten. Ich möchte Smut Books nicht verteufeln, das wäre auch nicht wirklich fair, weil viele von ihnen mir nicht nur ein feuchtes Höschen, sondern manchmal auch feuchte Augen beschert haben (insofern die Storyline gut war!). 

Dennoch sollte man nicht vergessen: Es ist alles Fiktion und oftmals kaum bis gar nicht im echten Leben umzusetzen. Die beschriebenen "Ideale" der Männer und Frauen in den Büchern sind leider auch im Alltag schwer anzutreffen. Träumen erlaubt – aber bitte mit einem Hauch Realismus!

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