Fremdgegangen: Wie gehen Betroffene mit der Schuld um?

Im Kopf, bei einem Kuss oder beim Sex: Wo Fremdgehen beginnt, lässt sich nicht pauschal sagen. Auch gibt es keine handfesten Statistiken darüber, immerhin ist die Dunkelziffer nicht messbar. Aber es gibt Schätzungen, Studien und Erfahrungsberichte. Mit Letzterem wollen wir mehr Einblick in das Gefühlsleben von Personen bekommen, die bereits fremdgegangen sind. 

Was waren die Beweggründe, haben sie den Seitensprung gebeichtet und wie lebt es sich eigentlich mit dem Wissen, seine:n Partner:in hintergangen zu haben?

Was sind die Gründe für einen Seitensprung?

Ist man dem:der Partner:in untreu, so verletzt man die emotionale und/oder sexuelle Exklusivität – sofern man in einer monogamen Beziehung lebt. Laut einer US-amerikanischen Studie mit knapp 500 Teilnehmer:innen zählen zu den häufigsten Gründen für Untreue:

• Wut auf den:die Partner:in
• Push für Selbstbewusstsein
• Mangelnde Liebe
• Fehlender Bindungswunsch
• Bedürfnis nach Abwechslung
• Zurückweisung / Vernachlässigung
• Sexuelles Verlangen 

➞ Das Forscher:innen-Team weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Ursachen wie mangelnde Liebe mit längeren Affären korrelieren und häufiger zu Trennungen mit dem:der eigentlichen Partner:in führen. Hingegen führen Untreue-Gründe wie Stress oder Rauschzustände eher zu kürzeren, unbefriedigenden Affären. Die Motivation für den Seitensprung beeinflusst also die Länge des Liebesabenteuers.

Die deutsche Autorin und Paartherapeutin Aino Simon erklärt, dass mangelnde Kommunikation einer der Hauptfaktoren für Untreue ist: "Betrug entsteht oft deshalb, weil wir nicht miteinander reden. Da schlummert ganz viel in uns, was wir niemals zeigen und selbst in dieser ganz nahen Beziehung uns niemals trauen auszusprechen. Weil wir es vielleicht selbst gar nicht bemerken oder auch weil es so ungewohnt ist, darüber zu sprechen", so die Expertin. 

Wir haben drei Frauen, die ihren Partnern schon einmal fremdgegangen sind, um einen Erfahrungsbericht gebeten.

Magdalena, 34: "Ob ich ein schlechtes Gewissen hatte? Schon, ja."

Ich kann mich noch erinnern, dass ich früher felsenfest davon überzeugt war, niemals fremdzugehen. Hinzu kam, dass ich Untreue verteufelt habe und mich für absolut loyal hielt. Doch es passierte das, was ich nicht für möglich hielt: Drei meiner ehemaligen Partner habe ich im Laufe der letzten Jahre betrogen. Zwei davon sogar mit mehreren Männern. Gebeichtet habe ich den Seitensprung nie. Ich hatte zwar keinen Sex mit jenen Männern, jedoch wurden heiße Küsse und andere Zärtlichkeiten ausgetauscht, und ich habe eine emotionale Bindung aufgebaut. Es blieb auch nicht bei einmaligen Treffen. 

Mit einem der Männer hatte ich eine Affäre, es fand sogar ein richtiges Kennenlernen statt, obwohl ich in der Zeit eigentlich noch in einer festen Beziehung war. Ich besuchte meine Affäre zu Hause, übernachtete dort, lernte bereits seine Mutter sowie seine Freund:innen kennen. Mein eigentlicher Freund hat mich zu der Zeit nur noch genervt, mich nicht mehr gereizt. Schon länger habe ich gemerkt, dass meine Gefühle nachlassen, zudem habe ich mich nicht mehr wertgeschätzt gefühlt. 

Wollte er Sex, zog er seine Boxershorts nach unten, ließ sein bestes Stück drüberhängen, wackelte damit und fragte: "Wann geht denn mal wieder was?" Er widerte mich regelrecht an, dennoch spürte ich, wie sehr er mich liebte und ich brachte es nicht übers Herz, ihm seines zu brechen. So speicherte ich meine damalige Affäre unter "Stefanie" in den Handykontakten ab und verzog mich ins Badezimmer, um mit ihm zu chatten, während mein damaliger Freund nebenan im Bett lag. Ob ich ein schlechtes Gewissen hatte? Schon, ja. Das hielt sich aber in Grenzen, da ich immer wieder kommunizierte, was mir in der Beziehung gefehlt hat, er es aber nicht anders machen wollte oder konnte.

Irgendwann folgte dann doch die Trennung und anschließend bekam ich wohl die Retourkutsche. Mein letzter Ex-Freund hat mich mit einer anderen Frau betrogen. Autsch! Das war so ziemlich eine der emotional schmerzhaftesten Erfahrungen in meinem Leben. Ob es dieses Karma war, von dem viele reden?

Kristina, 32: "Es war jugendlicher Leichtsinn"

Ich bin ein einziges Mal fremdgegangen. Ich war 18 und es passierte auf meiner Matura-Reise. Warum? Ich glaube, es war jugendlicher Leichtsinn. Es war ein Typ von meiner damaligen Lieblings-Band, falls das als Entschuldigung dient. Die sind während meiner Reise aufgetreten und ich habe ein Auge auf den Bassisten geworfen – er ebenso auf mich. Nach dem Konzert sind wir zum Strand gegangen und haben uns dort leidenschaftlich geküsst. Eine emotionale Bindung habe ich aber nicht aufgebaut, es war lediglich eine Knutscherei. Matura-Reise, Alkohol und meine liebste Band? Da konnte ich eigentlich gar nicht Nein sagen. 

Zwei Wochen später war ich in meiner Heimatstadt auf einem Festival, wo jene Band erneut auftrat. Da habe ich mit einem anderen Band-Typen geknutscht, wofür ich aber am nächsten Tag die Quittung bekommen habe: Ich lag mit einer Alkoholvergiftung flach. Gebeichtet habe ich meinem damaligen Freund den Seitensprung nicht, weil ich mir dachte, das würde keinen Sinn machen. Immerhin lief es die letzte Zeit nicht mehr so richtig gut zwischen uns. Daraufhin kam es recht schnell zu einer Trennung, deswegen war das für mich auch alles gar nicht so tragisch.

Sabi, 27: "Ich selbst konnte ganz gut mit dem Ausrutscher leben."

In einer alten Beziehung bin ich theoretisch fremdgegangen. Es war aber so, dass die Partnerschaft schon dem Ende geweiht war. Drei Tage, bevor ich endgültig Schluss gemacht habe, habe ich mit einer anderen Person geschmust. Da es schon kurz vor dem Beziehungsende war, hat es sich aber gar nicht wie ein Seitensprung für mich angefühlt. 

Meinem damaligen Partner habe ich es daher auch nicht gebeichtet. Ich selbst konnte ganz gut mit dem Ausrutscher leben. Hätte die Beziehung noch eine Zukunft gehabt, wäre es mir wahrscheinlich anders ergangen.